Im Moment gibt es in Venedig keine weiblichen Gondelfahrer. Das könnte sich aber ändern. Gleich acht Frauen haben sich an der Ausschreibung für das Amt des Gondoliere beteiligt.
Acht Ruderinnen haben jüngst an der Ausschreibung für das Amt des Gondoliere in Venedig teilgenommen. Das ist ein Rekord. Denn seit 2007 die deutsche Alexandra Hai als erste Frau, allerdings für ein privates Unternehmen, Touristen auf der Gondel durch die Lagunenstadt beförderte und 2009 die damals 24-jährige Giorgia Bozza den Führerschein als Gondoliere bestand, ist es um den Beruf der „gondoliera“still geworden. Auch Giorgia, Tochter eines Gondoliere, durfte trotz bestandener Prüfung nur private Gondeln fahren. Die amtliche Lizenz blieb ihr versperrt. Alexandra Hai unterzog sich inzwischen einer Geschlechtsumwandlung, und Giorgia, Mutter von vier Kindern, hat ihren Beruf vorerst aufgegeben. Doch zweifellos haben die beiden eine neunhundertjährige Tradition unterbrochen.
Die Gondolieri prägen das Stadtbild Venedigs wie etwa die Bobbys jenes von London, oder wie die Schweizer Garde zum Vatikan gehört: Seit Jahrhunderten lenkt der Berufsstand der Gondolieri die typisch venezianischen, schlanken Boote durch die Kanäle der italienischen Lagunenstadt. Doch die bisher exklusiv männliche und extrem einträgliche Zunft der Gondelfahrer bekommt nun Konkurrenz von den Frauen.
Gleich acht Ruderinnen haben sich nun für dieses Amt beworben und an der öffentlichen Ausschreibung teilgenommen. Insgesamt gibt es 238 Bewerber. Die Anmeldungsgebühren von je 150 Euro hat der Ruderverband übernommen, der großenteils aus weiblichen Mitgliedern besteht und es sich zum Ziel gesetzt hat, dass auch Frauen künftig die Gondeln rudern dürfen.
Sozial hochangesehen
Alle Kandidatinnen sind bestens geschult. Sie nehmen regelmäßig an der jährlich stattfindenden historischen Regatta (September) in Venedig teil, lehren seit Jahren in verschiedenen Ruderschulen und kennen Venedig in- und auswendig. Fünf der Bewerberinnen sind Mitglieder des Ruderverbandes Row Venezia und gewannen in den letzten Jahren Titel als Rudermeisterinnen.
Jane Caporal, Präsidentin des Ruderverbandes, ist überzeugt, dass sie und ihre Kolleginnen ein und dieselben Qualitäten aufweisen wie die männlichen Ruderer. Das Amt des Gondoliere ist in der Lagunenstadt nicht nur sozial hochangesehen, sondern auch lukrativ. Der Gondoliere verdient laut Fachverbandsaussagen in der Touristenhochsaison zwischen 5000 und 6000 Euro monatlich. Und in Venedig herrscht bekanntlich zwölf Monate Hochsaison. „Allein die Teilnahme an dem Schulungskurs ist ein hervorragendes Resultat: Hier werden nicht nur Fremdsprachen und Kunstgeschichte, sondern auch die Geschichte und Tradition Venedigs gelehrt“, meint die Präsidentin. Drei Monate dauert die Schulung, die Gebühren belaufen sich auf 350 Euro. Doch der Weg zum Ersatzgondoliere sei steinig. Denn wer auch den Führerschein oder die Prüfung bestanden hat, ist noch keineswegs am Ziel. Es muss ein Kollege gefunden werden, der es einer Frau zutraut, ihn zu vertreten, und sie zum Ersatzgondoliere ernennt. Und dies sei bei der 425 Mann zählenden Zunft der Gondolieri schwieriger als der Führerschein.