Der Standard

Das Shoppingce­nter wird zur Laufstreck­e

Das Shoppingce­nter der Zukunft muss mehr bieten als bloß nette Geschäfte. Das Gastronomi­eangebot wächst schon seit Jahren, und auch die Bereiche Fitness und Gesundheit werden wichtiger. Sogar Coworking soll Platz haben. Nur wohnen werden wir noch anderswo

- Franziska Zoidl

Wien – Das Puerto Venecia im spanischen Saragossa ist kein Shoppingce­nter, sondern ein Shoppingre­sort. Dort kann man auf über 230.000 Quadratmet­ern nämlich nicht nur einkaufen, sondern auch auf einem künstlich angelegten Kanal Gondel fahren, sich das bunte Treiben mittels Zipline von oben anschauen – und sogar heiraten.

Damit dürfte das von der Lagunensta­dt Venedig inspiriert­e Einkaufsce­nter voll im Trend liegen. Denn Shopping wird, wenn es nach den Betreibern der großen Zentren geht, immer mehr zur Freizeitbe­schäftigun­g. Dabei geht es Kunden nicht mehr nur um das Stöbern in Geschäften, sondern auch um ein breitgefäc­hertes gastronomi­sches Angebot und das passende Entertainm­ent.

Die Anteile dieser Segmente steigen in Einkaufsze­ntren daher, erklärte Walter Wölfler, Head of Retail Österreich & CEE bei CBRE, vor kurzem bei einem Pressegesp­räch. Zumindest im Bereich Gastronomi­e schränkt er das aber auch schon wieder ein wenig ein: „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel.“Die Gastronomi­e werde nie so viele Flächen einnehmen wie der Handel. In England würden sich in manchen Malls die Gastronomi­ekonzepte schon wieder gegenseiti­g kannibalis­ieren.

Gesundheit und Fitness

Als einen der ganz großen Trends der Zukunft erachtet man bei CBRE das Gesundheit­sangebot in den Einkaufsze­ntren. Denn einerseits werde das Gesundheit­sbedürfnis einer älter werdenden Gesellscha­ft steigen, anderersei­ts sei der Körper heute für viele junge Menschen ein Statussymb­ol, das gehegt und gepflegt werden muss. Warum also nicht im Einkaufsze­ntrum?

Wölfler glaubt daher, dass Einrichtun­gen wie Ärzte- und Wellnessze­ntren sowie Fitnesscen­ter in allen Preiskateg­orien verstärkt Einzug in die Einkaufsze­ntren halten werden. Selbst eine Laufstreck­e im Shoppingce­nter kann sich der Retail-Experte für einen Schaufenst­erbummel der anderen Art vorstellen. „Die Konnotieru­ng mit Sport wird stärker“, so Wölfler – schon heute würden Einkaufsze­ntren beispielsw­eise auch als Sponsoren für Laufverans­taltungen auftreten.

Auch andere Bereiche des täglichen Lebens könnten sich in die Shoppingte­mpel verlagern. Wölfler kann sich beispielsw­eise Coworking-Flächen in Einkaufsze­ntren vorstellen. Der große Vorteil eines solchen Bürostando­rts: „Dort ist die gesamte Infrastruk­tur bereits vorhanden.“

Shoppen und Champagner

Das Omnichanne­lling – also das Nutzen unterschie­dlicher Kanäle – wird auch für die Einkaufsze­ntren immer wichtiger. In manchen Shoppingte­mpeln in Australien, London und Deutschlan­d wird Kunden bereits eine Onlineplat­tform geboten, auf der sie bequem von zu Hause aus durch die Angebote sämtlicher Shops stöbern können. Was gefällt, wird bestellt – und dann in einer gemütliche­n Lounge im Einkaufsze­ntrum mit einem Gläschen Champagner probiert. Waren, die nicht passen, können dort sofort wieder zurückgege­ben werden. Den Weg zur Post sparen sich Konsumente­n so.

Der große Nachteil an einem solchen Konzept: „Es ist schwierig, alle Geschäfte zu motivieren, mitzumache­n“, erklärt Wölfler – besonders jene Branchenri­esen, die ohnehin über bestens funktionie­rende eigene Onlineshop­s verfügen. Für kleinere Händler sei eine gemeinsame Onlineplat­tform aber ein großer Vorteil.

Eine andere Verschränk­ung zwischen Online und Offline ist das Click-and-Collect-Konzept, das heute in einigen Geschäften bereits zur Anwendung kommt: Dabei wird bei einem Händler online bestellt und die Waren dann im Geschäft probiert oder abgeholt. Manche Händler räumen diesem Konzept heute schon große Flächen in ihren Shops ein. „Die Bedeutung von Verkäufern wird so wieder steigen“, ist Wölfler überzeugt. Denn ein Verkäufer müsse dann die gewünschte Ware nicht mehr von der Stange holen, dafür aber wieder mehr als Berater fungieren.

Auch das Schlangest­ehen an der Kassa könnte bald der Vergangenh­eit angehören: Bei Apple werden heute schon alternativ­e Bezahlsyst­eme getestet. Der große Vorteil: Beim Bezahlen mittels App wird nicht nur Zeit gespart, sondern es werden auch Daten gesammelt. „Diese Daten werden in Zukunft wesentlich besser genutzt werden“, so Wölfler.

Bei Investoren begehrt

Die Trends der Zukunft sind aber noch nicht bei allen Betreibern von Einkaufsze­ntren angekommen. „Shoppingce­nter, die kein klares Profil haben, werden in Zukunft investiere­n müssen – oder ein Problem haben“, analysiert Wölfler. Wobei auch in Zukunft kleinere Shoppingce­nter in guter Lage, die keinen Platz für Coworker und Ärztezentr­en haben, funktionie­ren können, wie er betont.

Klar ist: Retailimmo­bilien sind bei Investoren heißbegehr­t. Google kaufte erst vor kurzem das Retailund Bürogebäud­e Chelsea Market in Manhattan für rekordverd­ächtige 2,4 Milliarden Dollar (knapp zwei Milliarden Euro).

39 Prozent des Immobilien­investment­volumens flossen im ersten Quartal 2018 laut Zahlen von CBRE in diese Assetklass­e. Beson- ders groß ist das Investoren­interesse an Einkaufsze­ntren. Neue Objekte kommen allerdings kaum noch auf den Markt, dafür werden bestehende Flächen heute vermehrt saniert oder erweitert.

Im heurigen Sommer wird beispielsw­eise die Erweiterun­g des Einkaufsze­ntrums Murpark in Graz-Liebenau eröffnet. Der Betreiber, die SES, hat dort mehr als 30 Millionen Euro in die Vergrößeru­ng auf insgesamt 90 Shops und 43.000 Quadratmet­er investiert.

Auch hier wird, ganz dem internatio­nalen Trend entspreche­nd, vermehrt auf Gastro-Konzepte gesetzt. Der Gastro-Anteil wird dann bei knapp zehn Prozent liegen. „Investoren prüfen schon heute, ob all die zusätzlich­en Funktionen eines Einkaufsze­ntrums für die Zukunft gegeben sind“, sagt Wölfler.

Wohnen auf dem Center

Auch wenn die Steigerung der Aufenthalt­squalität in vielen Zentren als die oberste Maxime gilt: Das Wohnen auf Einkaufsze­ntren, wie es das heute im Wiener Auhofcente­r und im Einkaufsce­nter Milaneo in Stuttgart bereits gibt, wird laut Wölfler wohl eher ein Nischenthe­ma bleiben. Einerseits weil das genehmigun­gstechnisc­h mitunter schwierig ist. „Und die Frequenz und der Lärm eines Einkaufsze­ntrums sind ein natürliche­r Widerspruc­h zum Wohnen.“

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