Italiens Regierungsbildung sorgt für eine institutionelle Krise
Populisten stellen Präsident Ultimatum: „Sonst Neuwahl“
„O Savona o morte“: Auf diese einfache Formel hat der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, die Auseinandersetzung mit Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella gebracht. „Entweder Savona oder der Tod.“Etwas weniger dramatisch ausgedrückt: Sollte der 81jährige Ökonom Paolo Savona nicht Minister in den Schlüsselressorts Wirtschaft und Finanzen werden, dann gibt es keine Regierung von Lega und Fünf-SterneBewegung, sondern Neuwahlen. „Und Mattarella müsste vor dem italienischen Volk dafür geradestehen.“Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio schloss sich dem Ultimatum Salvinis an.
Was die beiden Populistenführer da versuchten, mutet viele wie Erpressung an. Denn in Italien sind es laut Verfassung nicht die Chefs der Regierungsparteien, welche die Minister nominieren, sondern der Staatspräsident, der seine Ernennungen auf Vorschlag des designierten Regierungschefs vornimmt. Der Präsident kann – wie etwa auch in Österreich – Vorschläge ablehnen, und das ist in früheren Jahren auch schon öfter geschehen. Doch Salvini scheint sich herzlich wenig für die Rechte des Staatspräsidenten zu interessieren und beschwört damit eine institutionelle Krise herauf.
Ein Präzedenzfall
Schon aus Prinzip kann Mattarella eigentlich nicht auf Salvinis Diktat eingehen: Es geht um die Würde seines Amts und um sein Ansehen. Aber vor allem würde mit einem Durchwinken Savonas ein Präzedenzfall geschaffen: Die populistische Regierung aus Lega und Fünf Sternen könnte ein Nachgeben als Einladung betrachten, künftig auch bei umstrittenen Gesetzen mit dem Sturz der Regierung zu drohen und dem Präsidenten dann wieder die Schuld für die politische Krise in die Schuhe zu schieben.
Salvini wiederum verweist auf die Parlamentswahlen vom 4. März, die den Anti-System-Parteien eine absolute Mehrheit im Parlament beschert haben: „Die italienischen Wähler haben sich klar für einen Wandel ausgesprochen, auch was das Verhältnis zu Europa betrifft.“Mahnungen aus dem Ausland, Italien möge seinen haushaltspolitischen Verpflichtungen nachkommen, leiteten bloß weiter Wasser auf die Mühlen der römischen Populisten. „Italien hat sich auch bei der Bildung deutscher Regierungen nie eingemischt – wir erwarten den gleichen Respekt: Italienische Regierungen werden in Rom gebildet, nicht in Brüssel oder Berlin“, erklärte Salvini.
Wenig hilfreich für Mattarella waren am Wochenende manche verunglimpfende Beiträge deutscher Medien, etwa des Spiegel („Schnorrer“), über Italien. Mit einer Ablehnung Savonas würde Mattarella von der Lega als Ausführungsgehilfe der Deutschen gebrandmarkt werden. „Wir werden von ihnen beleidigt, und dann sollen wir auch noch einen Finanzminister wählen, der ihnen passt? No grazie!“, twitterte Salvini.
Kritik an Deutschland
Savona selbst war zwar einmal Europa-Befürworter, hat sich aber im Laufe der Jahre zum Chefideologen eines Euro-Austritts Italiens gewandelt. Den Deutschen, die seiner Meinung nach am meisten von der Einheitswährung profitieren, wirft er vor, ihre Hegemoniegelüste bezüglich Europa auch nach Hitler nicht aufgegeben zu haben – nur dass sie ihre Vormachtstellung jetzt wirtschaftlich durchsetzen wollten. Mit Savona als Minister wäre ein „Italexit“mehr als graue Theorie – mit allen Folgen für EU und Eurozone.
Der große Showdown um Savona im Quirinalspalast wurde für Sonntagabend erwartet: Dann wollte sich der designierte Ministerpräsident Giuseppe Conte zu Mattarella begeben, um ihm seine Ministerliste vorzulegen. Conte ließ vorab durchblicken, dass Paolo Savona nach wie vor als künftiger Wirtschafts- und Finanzminister auf seiner Liste stehe – zumindest war das am Sonntagnachmittag noch so. Gegen Abend verdichteten sich vorerst die Gerüchte, dass Mattarella beim abendlichen Treffen mit dem designierten Permier Conte bei seiner Ablehnung bleiben würde.
Um die Gemüter zu beruhigen, hatte Savona am Sonntag ein Bekenntnis zu den Finanzvorgaben von Maastricht und zum Schuldenabbau ab gegeben: Er wolle ein stärkeres, aber gerechteres Europa. Das kann natürlich auch ein Befürworter eines Euro-Austritts sagen.