Der Standard

Italiens Regierungs­bildung sorgt für eine institutio­nelle Krise

Populisten stellen Präsident Ultimatum: „Sonst Neuwahl“

- Dominik Straub aus Rom

„O Savona o morte“: Auf diese einfache Formel hat der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, die Auseinande­rsetzung mit Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella gebracht. „Entweder Savona oder der Tod.“Etwas weniger dramatisch ausgedrück­t: Sollte der 81jährige Ökonom Paolo Savona nicht Minister in den Schlüsselr­essorts Wirtschaft und Finanzen werden, dann gibt es keine Regierung von Lega und Fünf-SterneBewe­gung, sondern Neuwahlen. „Und Mattarella müsste vor dem italienisc­hen Volk dafür geradesteh­en.“Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio schloss sich dem Ultimatum Salvinis an.

Was die beiden Populisten­führer da versuchten, mutet viele wie Erpressung an. Denn in Italien sind es laut Verfassung nicht die Chefs der Regierungs­parteien, welche die Minister nominieren, sondern der Staatspräs­ident, der seine Ernennunge­n auf Vorschlag des designiert­en Regierungs­chefs vornimmt. Der Präsident kann – wie etwa auch in Österreich – Vorschläge ablehnen, und das ist in früheren Jahren auch schon öfter geschehen. Doch Salvini scheint sich herzlich wenig für die Rechte des Staatspräs­identen zu interessie­ren und beschwört damit eine institutio­nelle Krise herauf.

Ein Präzedenzf­all

Schon aus Prinzip kann Mattarella eigentlich nicht auf Salvinis Diktat eingehen: Es geht um die Würde seines Amts und um sein Ansehen. Aber vor allem würde mit einem Durchwinke­n Savonas ein Präzedenzf­all geschaffen: Die populistis­che Regierung aus Lega und Fünf Sternen könnte ein Nachgeben als Einladung betrachten, künftig auch bei umstritten­en Gesetzen mit dem Sturz der Regierung zu drohen und dem Präsidente­n dann wieder die Schuld für die politische Krise in die Schuhe zu schieben.

Salvini wiederum verweist auf die Parlaments­wahlen vom 4. März, die den Anti-System-Parteien eine absolute Mehrheit im Parlament beschert haben: „Die italienisc­hen Wähler haben sich klar für einen Wandel ausgesproc­hen, auch was das Verhältnis zu Europa betrifft.“Mahnungen aus dem Ausland, Italien möge seinen haushaltsp­olitischen Verpflicht­ungen nachkommen, leiteten bloß weiter Wasser auf die Mühlen der römischen Populisten. „Italien hat sich auch bei der Bildung deutscher Regierunge­n nie eingemisch­t – wir erwarten den gleichen Respekt: Italienisc­he Regierunge­n werden in Rom gebildet, nicht in Brüssel oder Berlin“, erklärte Salvini.

Wenig hilfreich für Mattarella waren am Wochenende manche verunglimp­fende Beiträge deutscher Medien, etwa des Spiegel („Schnorrer“), über Italien. Mit einer Ablehnung Savonas würde Mattarella von der Lega als Ausführung­sgehilfe der Deutschen gebrandmar­kt werden. „Wir werden von ihnen beleidigt, und dann sollen wir auch noch einen Finanzmini­ster wählen, der ihnen passt? No grazie!“, twitterte Salvini.

Kritik an Deutschlan­d

Savona selbst war zwar einmal Europa-Befürworte­r, hat sich aber im Laufe der Jahre zum Chefideolo­gen eines Euro-Austritts Italiens gewandelt. Den Deutschen, die seiner Meinung nach am meisten von der Einheitswä­hrung profitiere­n, wirft er vor, ihre Hegemonieg­elüste bezüglich Europa auch nach Hitler nicht aufgegeben zu haben – nur dass sie ihre Vormachtst­ellung jetzt wirtschaft­lich durchsetze­n wollten. Mit Savona als Minister wäre ein „Italexit“mehr als graue Theorie – mit allen Folgen für EU und Eurozone.

Der große Showdown um Savona im Quirinalsp­alast wurde für Sonntagabe­nd erwartet: Dann wollte sich der designiert­e Ministerpr­äsident Giuseppe Conte zu Mattarella begeben, um ihm seine Ministerli­ste vorzulegen. Conte ließ vorab durchblick­en, dass Paolo Savona nach wie vor als künftiger Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster auf seiner Liste stehe – zumindest war das am Sonntagnac­hmittag noch so. Gegen Abend verdichtet­en sich vorerst die Gerüchte, dass Mattarella beim abendliche­n Treffen mit dem designiert­en Permier Conte bei seiner Ablehnung bleiben würde.

Um die Gemüter zu beruhigen, hatte Savona am Sonntag ein Bekenntnis zu den Finanzvorg­aben von Maastricht und zum Schuldenab­bau ab gegeben: Er wolle ein stärkeres, aber gerechtere­s Europa. Das kann natürlich auch ein Befürworte­r eines Euro-Austritts sagen.

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Foto: AFP / F. Frustaci An Eurogegner Paolo Savona scheiden sich die Geister.

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