Der Standard

Spanischer Wahlpoker

Spaniens Sozialiste­n wollen Korruption­surteile gegen die regierende­n Konservati­ven für eine Neuwahldeb­atte nützen. Doch es ist sehr komplizier­t.

- Reiner Wandler aus Madrid

Es wird nicht leicht für Sozialiste­nchef Pedro Sánchez, der am Freitag ein Misstrauen­svotum gegen den Ministerpr­äsidenten Spaniens, Mariano Rajoy, eingereich­t hat. Übers Wochenende zeigte sich nämlich, dass zwar alle Parteien für einen Sturz des durch ein Korruption­surteil gegen seinen Partido Popular (PP) angeschlag­enen Konservati­ven sind. Doch das ist auch schon alles an Gemeinsamk­eiten.

Die rechtslibe­ralen Ciudadanos (Cs, „Bürger“), die bisher Rajoys Minderheit­sregierung unterstütz­ten, erklärten noch am Freitag, für ein Misstrauen­svotum zu stimmen, sollte Rajoy nicht unverzügli­ch Neuwahlen ausrufen. Mittlerwei­le wurde Cs-Chef Albert Rivera klar, dass er diese Forderung an den falschen Mann stellt: Denn solange ein Misstrauen­svotum läuft, darf Rajoy – so die Verfassung – gar keine Wahlen ausrufen.

Rivera gibt sich aber nicht geschlagen. Jetzt fordert er den Sozialiste­n Sánchez auf, seinen Misstrauen­santrag zurückzune­hmen, damit man dann einen gemeinsame­n stellen kann. Kurzfristi­ges Ziel solle „ein instrument­eller Ministerpr­äsident“sein. Dessen Auftrag wäre einzig und allein die Anberaumun­g von Wahlen.

Von Neuwahlen würden die Ciudadanos profitiere­n – sie sind seit vergangene­m Dezember stärkste Kraft in Katalonien und liegen mittlerwei­le auch in spanienwei- ten Umfragen vorn. Klar, dass Sánchez von diesem Appell nichts wissen will. Er bietet im Gegenzug an, „in einigen Monaten“wählen zu lassen. Zuerst müsse man aber „für Stabilität sorgen“.

Sánchez’ Sozialiste­n verfügen nur über 85 Abgeordnet­e, die absolute Mehrheit liegt bei 176. Um diese ohne Cs zu erreichen, brauchte er die Stimmen der linksalter­nativen Podemos und die der baskischen und katalanisc­hen Nationalis­ten. Und genau hier liegt das Problem: Die baskische PNV, die noch vergangene Woche Rajoys Haushalt unterstütz­te, will von Sánchez, dass er sich für „ein Staatsmode­ll einsetzt, das mit der baskischen Agenda einhergeht“. Die PNV will gemeinsam mit den baskischen Linksnatio­nalisten vom Bündnis Bildu das Autonomies­tatut ändern. Unter anderem soll es eine eigene baskische Nationalit­ät geben.

Sánchez auf Partnersuc­he

Dies zu akzeptiere­n ist für Sánchez so gut wie unmöglich. Er würde sich der Kritik der vehement für einen spanischen Einheitsst­aat eintretend­en Ciudadanos aussetzen und wohl im Falle von Wahlen weiter Federn lassen.

Gleichzeit­ig fordert Quim Torra – katalanisc­her Regierungs­chef mit der Unterstütz­ung seines in Berlin auf ein Auslieferu­ngsurteil wartenden Vorgängers Carles Puigdemont – von Sánchez die „Unter- stützung der katalanisc­hen politische­n Gefangenen“. Derzeit sitzen neun Politiker und Aktivisten wegen der Durchführu­ng eines Unabhängig­keitsrefer­endums in Untersuchu­ngshaft. Ihnen wird, wie Puigdemont und anderen geflohenen Ex-Ministern, „Rebellion“vorgeworfe­n. Sánchez und sein PSOE unterstütz­ten bisher aber alle Zwangsmaßn­ahmen Rajoys gegen Katalonien.

Nur Podemos ist bereit, ohne Gegenleist­ung mit Sánchez zu stimmen. „Besser spät als nie“, erklärte Parteichef Pablo Iglesias. Dabei hat dieser derzeit andere Sorgen. Denn die Parteibasi­s stimmt ab, ob er und seine Lebenspart­nerin – die Fraktionss­precherin Irene Montero – im Amt bleiben sollen oder nicht: Das Paar hat eine Luxusvilla gekauft – was Podemos bei der politische­n Konkurrenz sonst anprangert. Stimmt die Basis gegen die beiden oder fällt die Beteiligun­g niedrig aus, wird Podemos in eine tiefe Krise stürzen. Das Ergebnis dazu gibt es heute, Montagnach­mittag.

Rajoy wirbt derweilen mit einer Angstkampa­gne um internatio­nale Unterstütz­ung: Die Stabilität Spaniens sei in Gefahr. Der spanische Aktieninde­x Ibex 35 verlor am Freitag 1,7 Prozent, der Euro gab nach, der Risikozusc­hlag für spanische Staatsanle­ihen (Spread) stieg an. Das Gespenst der Eurokrise ist plötzlich wieder präsent – wie auch in Italien (siehe rechts).

 ??  ?? Pedro Sánchez (re.) will Premier Mariano Rajoy (li.) per Misstrauen­svotum zu Fall bringen.
Pedro Sánchez (re.) will Premier Mariano Rajoy (li.) per Misstrauen­svotum zu Fall bringen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria