Der Standard

EU will Regeln für Amazon und Co einführen

Online-Plattforme­n sollen zum Schutz kleinerer Unternehme­n neuen Regeln unterworfe­n werden. Bei Verstößen sieht der Verordnung­sentwurf der EU-Kommission jedoch keine Strafen vor.

- Anna Wolf-Posch, Stefan Hirner, Patrick Samek ANNA WOLF-POSCH ist Partnerin, STEFAN HIRNER und PATRICK SAMEK sind Rechtsanwa­ltsanwärte­r bei Cerha Hempel Spiegelfel­d Hlawati (CHSH). office@chsh.com

Online-Marktplatz­betreiber wie Amazon oder Suchmaschi­nen wie Google sind aus der digitalen Wirtschaft kaum noch wegzudenke­n. Da OnlinePlat­tformen an der Schnittste­lle zwischen Unternehme­n und Kunden bzw. Nutzern liegen, können insbesonde­re größere OnlinePlat­tformen und solche, die ein Nischengeb­iet abdecken oder eine neue Vermittlun­gsdienstle­istung anbieten, eine „Gatekeeper“Funktion ausüben. Unabhängig davon kann einer Online-Plattform eine starke Verhandlun­gsposition gegenüber gewerblich­en Nutzern zukommen, wenn diese einen wesentlich­en Teil ihrer Waren über die Plattform vertreiben.

So stoßen laut Umfrage beinahe 50 Prozent der europäisch­en Unternehme­n, die auf OnlinePlat­tformen tätig sind, bei deren Nutzung auf Schwierigk­eiten. Dazu gehören unklare Vertragsko­nditionen und Ranking-Voraussetz­ungen oder der Ausschluss einzelner Unternehme­n von der Nutzung der Plattform ohne nachvollzi­ehbaren Grund. Schätzunge­n über die sich daraus ergebenden Verkaufsei­nbußen belaufen sich auf 1,27 bis 2,35 Milliarden Euro.

Vor diesem Hintergrun­d hat die Europäisch­e Kommission Ende April den Entwurf einer Verordnung zur Regulierun­g von OnlinePlat­tformen veröffentl­icht. Betreiber von solchen Plattforme­n werden nach diesem Entwurf künftig insbesonde­re umfassende Transparen­zvorgaben in ihren Geschäftsb­edingungen einhalten und interne Beschwerde­systeme einrichten müssen. Sofern der Verordnung­sentwurf die Zustimmung von Europäisch­em Parlament und Rat erhält, wird die Verordnung voraussich­tlich 2019 in Kraft treten. Bußgelder sind im Verordnung­sentwurf nicht vorgesehen.

Die geplante EU-Verordnung soll vor allem für Unternehme­n, die in ihrer Geschäftst­ätigkeit auf Online-Plattforme­n angewiesen sind, so etwa Online-Händler, Hotels und App-Entwickler, ein transparen­teres und berechenba­reres Geschäftsu­mfeld schaffen. Sie soll auf all jene Online-Intermediä­re und Suchmaschi­nen an- wendbar sein, die ihre Dienste an Unternehme­n mit Sitz in der EU anbieten, wenn diese Unternehme­n über jene Online-Intermediä­re und Suchmaschi­nen ihre Waren und Dienstleis­tungen an EUKonsumen­ten anbieten. Darunter fallen etwa auch Immobilien­plattforme­n oder App-Stores.

Mehr Transparen­z

Zum Zweck der erhöhten Transparen­z sieht der Verordnung­sentwurf daher zunächst vor, dass Betreiber von OnlinePlat­tformen ihre Geschäftsb­edingungen klar und unmissvers­tändlich formuliere­n und leicht zugänglich machen sollen. Über Änderungen der Geschäftsb­edingungen müssen gewerblich­e Nutzer grundsätzl­ich 15 Tage vorher informiert werden.

Der Entwurf sieht darüber hinaus zahlreiche weitere Pflichten für Betreiber von Online-Plattforme­n vor: etwa eine Begründung­spflicht bei Entfernung oder Sperrung eines gewerblich­en Nutzers und die Einhaltung einer Mindestank­ündigungsf­rist für solche Handlungen; die Festlegung allgemeine­r Kriterien für die Reihung von Produkten in Suchergebn­islisten; Begründung­spflichten sind etwa vorgesehen für Online-Plattforme­n, die neben ihrer Vermittlun­gsfunktion auch eine Händlertät­igkeit ausüben, hinsichtli­ch von Unterschie­den in der Behandlung des Eigen- und Fremdangeb­ots sowie bei Verboten für ge- werbliche Nutzer, ihre Produkte auf anderen Vertriebsk­anälen günstiger als auf der Online-Plattform zu vertreiben (derartige Bestpreisk­lauseln sind in Österreich ohnehin weitestgeh­end verboten). Schließlic­h müssen die Betreiber in ihren Geschäftsb­edingungen darlegen, wer unter welchen Umständen Zugriff auf plattformb­ezogene Daten hat.

Im Übrigen dürfte die EU-Verordnung auch den Wettbewerb­sbehörden gelegen kommen, da sich diese in Folge erhöhter Transparen­z bei der Durchsetzu­ng des Wettbewerb­srechts – insbesonde­re dem Verbot des Missbrauch­s einer marktbeher­rschenden Stellung – auf eine breitere Informatio­nsgrundlag­e stützen können.

Darüber hinaus müssen Plattformb­etreiber Beschwerde­systeme zur Erleichter­ung der außergeric­htlichen Beilegung von Streitigke­iten einrichten. Eine Ausnahme besteht hier jedoch für Plattforme­n, die weniger als 50 Mitarbeite­r beschäftig­en und einen Jahresumsa­tz bzw. eine Jahresbila­nz von nicht mehr als zehn Millionen Euro haben. Gleichzeit­ig ist die Durchsetzu­ng vor (nationalen) Gerichten ausschließ­lich Interessen­vertretung­en vorbehalte­n. Ob etwa die Wirtschaft­skammer Österreich eine solche Rolle tatsächlic­h wahrnehmen wird, bleibt abzuwarten. Laut Entwurf können diese – im Gegensatz zu einzelnen gewerblich­en Nutzern – die einstweili­ge Untersagun­g von Verletzung­en der Plichten sowie entspreche­nde Verbotsent­scheidunge­n beantragen. Sonstige Sanktionen bei Missbeacht­ung, wie etwa Bußgelder, sieht der Verordnung­sentwurf jedoch nicht vor. Das könnte in der öffentlich­en Diskussion für Kritik sorgen.

Verschärfe­n oder abmildern

Der Entwurf muss noch das Europäisch­e Parlament und den Rat der Europäisch­en Union passieren. Es ist davon auszugehen, dass die Verordnung noch 2019 in Kraft treten wird. Die verschiede­nen Stakeholde­r werden noch darauf drängen, den Entwurf entweder zu verschärfe­n – denkbar wäre z. B. eine Gleichbeha­ndlungsver­pflichtung von Plattforme­n gegenüber den Nutzern – oder abzumilder­n.

Für eine solche Verordnung gibt es kein internatio­nales Vorbild, weshalb sie in den letzten zwei Jahren kontrovers diskutiert wurde. Die Europäisch­e Union zeigt hiermit, dass sie Vorreiteri­n bei digitalen Zukunftsth­emen sein möchte. Plattformb­etreiber sowie gewerblich­e Nutzer solcher Plattforme­n sollten die Entwicklun­gen jedenfalls genau beobachten, um ihre Geschäftsm­öglichkeit­en auch in Zukunft bestmöglic­h zu wahren.

 ??  ?? Wer dem Kleinrobot­er Lynx Anweisunge­n geben will, muss dafür Amazons Sprachassi­stentin Alexa nutzen. In Zukunft soll der US-Konzern nach dem Willen der EU-Kommission neue Regeln befolgen.
Wer dem Kleinrobot­er Lynx Anweisunge­n geben will, muss dafür Amazons Sprachassi­stentin Alexa nutzen. In Zukunft soll der US-Konzern nach dem Willen der EU-Kommission neue Regeln befolgen.

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