Der Standard

Mit Raffinesse gegen den Terror

Israel hat mit dem Bau einer Meeresbarr­iere am Gazastreif­en begonnen. Es ist längst nicht die erste Erfindung des Landes, um sich vor Angreifern zu schützen.

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Am Zikim-Strand an Israels Mittelmeer­küste, rund 70 Kilometer südlich von Tel Aviv, rollen dieser Tage die Bagger durch den feinen, beigefarbe­nen Sand. Sie arbeiten nicht etwa an Strandvers­chönerunge­n, sondern an einer Schutzvorr­ichtung, die Israel sicherer machen soll: einer Meeresbarr­iere – „die einzige dieser Art auf der Welt“, verkündete Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman stolz auf Twitter.

Die neue Konstrukti­on soll tauchenden und schwimmend­en Terroriste­n aus Gaza den Weg blockieren und aus drei Schichten bestehen: aus einer unter Wasser, einer aus Stein und einer aus Stacheldra­ht – ähnlich wie die Wellenbrec­her, die man an vielen der Strände in Israel sieht, nur in diesem Fall laut Verteidigu­ngsministe­rium eben „undurchdri­ngbar“. Um die Barriere herum soll ein zusätzlich­er Zaun errichtet werden. „Das ist eine Prävention­smaßnahme gegen die Hamas, die nun eine weitere strategisc­he Möglichkei­t verlieren wird, in deren Entwicklun­g sie viel Geld investiert hat“, schrieb Lieberman. Man werde die Bürger weiterhin mit Stärke und Raffinesse schützen.

Luftabwehr und Mauern

Tatsächlic­h ist die Meeresbarr­iere nicht das erste „raffiniert­e“Konstrukt der Israelis, um Terrorangr­iffe aus dem Gazastreif­en abzuwehren. Seit 2011 setzt die Armee den selbstentw­ickelten Abfangschi­rm Iron Dome ein, der Raketen rechtzeiti­g erkennt und noch in der Luft abschießt – zumindest dann, wenn der Flug lange genug ist, das Angriffszi­el also nicht zu nahe am Abschussor­t liegt. Für einige Dörfer und Kibbuzim direkt am Gazastreif­en bleiben die Raketen weiterhin eine große Gefahr.

Seit vergangene­m Jahr baut Israel auch an Land eine bis tief in die Erde reichende Mauer mit einer Gesamthöhe von stellenwei­se bis zu 40 Metern – der größte Teil davon unterirdis­ch: Umgerechne­t mehr als 750 Millionen Euro kostet dieser Hightech-Bau, der mit Sensoren ausgestatt­et ist, die Bewegungen auch unterhalb der Erde melden – vor allem Versuche, Tunnel bis unter israelisch­es Territoriu­m zu graben und so für Terroratta­cken ins Land einzudring­en.

In jüngster Zeit hat die Armee zahlreiche solcher Tunnel entdeckt und zerstört. Laut dem Sicherheit­sexperten Kobi Michael vom Institut für Nationale Sicherheit­sstudien in Tel Aviv waren es rund zehn in den vergangene­n Monaten. „Mit dem Bau wird die Grenze hermetisch abgeriegel­t“, so Michael. Rund zehn der insgesamt 64 Kilometer langen Mauer seien bereits komplett fertiggest­ellt, der Rest sei teilweise errichtet, bis Anfang des kommenden Jahres soll der Bau dann abgeschlos­sen sein.

Schutz vor Kampftauch­ern

Nun soll also auch der Seeweg nach Israel dichtgemac­ht werden: Während des Gazakriege­s 2014 hatten Kampftauch­er der Hamas es geschafft, bewaffnet Israels Küste zu erreichen, wurden dort aber von den israelisch­en Streitkräf­ten getötet. Es waren seither wohl nicht die einzigen Versuche, ist Kobi Michael, einst stellvertr­etender Generaldir­ektor des Ministeriu­ms für Strategisc­he Angelegenh­eiten, überzeugt. Oft sei nicht darüber berichtet worden, aber „es gab diese Versuche – vor allem, um geheimdien­stliche Informatio­nen zu erlangen“. Etwa um das Vorgehen der Israelis bei Angriffen dieser Art zu dokumentie­ren.

Israel reagiert mit neuen Erfindunge­n auf die Angriffsve­rsuche von Terroriste­n in Gaza. Diese wiederum entwickeln neue Strategien, um Israel zu schaden. Ihre jüngste Taktik ist der Einsatz von Drachen, die mit Molotowcoc­ktails oder Dosen voll mit brennendem Benzin ausgestatt­et werden. Dutzende solcher Drachen wurden im Zuge der Proteste in den vergangene­n zwei Monaten über die Grenze nach Israel geschickt.

„Das ist eine neue und sehr primitive Art des Terrors“, so Kobi Michael. Aber eben auch eine wirkungsvo­lle, zumal die Landwirtsc­haft hier eine große Rolle spielt und Israel zudem seine Natur schützen will. „Sie haben es geschafft, bereits hunderte Hektar Weizenfeld­er und Wälder in Brand zu stecken.“Israel setzt nun unter anderem spezielle Drohnen ein, um die brennenden Drachen noch in der Luft zu zerstören.

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Grenzabsch­nitt am Strand nahe Zikim. Die Sperranlag­en sollen nicht nur zu Land weiter bestehen, sondern auch ins Meer hinaus ausgebaut werden.

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