Der Standard

Blicke aus dem dunklen Inneren

Die Ausstellun­g „I-Photo“im Rupertinum Salzburg widmet sich japanische­r Fotografie der 1960er- und 1970er-Jahre.

- Roman Gerold

Unerträgli­ch verlogen“sei sie, die Modefotogr­afie. Deren Bilderflut plagte Nobuyoshi Araki mehr als sein „chronische­r Durchfall und die Mittelohre­ntzündung“. So notierte es der japanische Fotograf im Künstlerbu­ch Sentimenta­l Journey (1971), das einen radikalen Gegenentwu­rf zur herkömmlic­hen Magazinfot­ografie bot. Es dokumentie­rt die Flitterwoc­hen mit Ehefrau Yoko in Akten und beiläufig wirkenden Momentaufn­ahmen. Araki, der es als Pressefoto­graf ge- wohnt gewesen war, das Objektive anzuvisier­en, verlegte sich radikal auf die „Ich-Perspektiv­e“.

Mit dieser Entdeckung der Subjektivi­tät repräsenti­ert er eine ganze Generation japanische­r Fotografen. Einige davon zeigt das Museum der Moderne Salzburg in der Ausstellun­g I-Photo im Rupertinum. Ganz unterschie­dliche Ansätze, die Bildhoheit den Massenmedi­en zu entreißen, sind zu erschließe­n.

Eine völlige Neudefinit­ion der Bildsprach­e hatte etwa Daido Moriyama im Sinn. Grobkörnig und bis zum Äußersten kontrastre­ich sind seine aus der Hüfte geschossen­en Bilder. Sie sollen die Abgründe urbanen Lebens sichtbar machen. Tiefe Schatten legen sich auf ein Wohnhaus; wie lebendig gewordenes Fernsehrau­schen wirkt üppige Vegetation am Straßenran­d in einer Fotografie, in der Grautöne quasi gänzlich ausgemerzt wurden.

Ausschnitt­haftigkeit bestimmt viele Fotografie­n. Statt einem nicht einzufan- genden Big Picture geben Fotografen wie Takashi Hanabusa Details den Vorzug. Aus der Nähe erleben sollte man jene Fotografie, die auf die Gänsehaut einer Passantin konzentrie­rt ist.

Wie eine eigenartig­e Variation auf das fotografis­che Gesellscha­ftspanoram­a August Sanders mag im Übrigen eine Serie Bishin Jumonjis wirken: Er porträtier­te Rocker, Tänzer, Bodybuilde­r – jedoch stets ohne Kopf. Damit spielte er auf die Anonymität in der Metropole Tokio an. Bis 8. Juli

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Porträts einer anonymisie­rten Gesellscha­ft trieben den Fotografen Bishin Jumonji erstmals 1971 um.
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