Der Standard

Als Nummer 453 zurück im Job

Serena Williams, die nach der Geburt ihrer Tochter im September in Lebensgefa­hr geriet, kehrt bei den French Open zurück. Dass sie nicht gesetzt ist, sorgte in den USA für Aufregung.

- Philip Bauer aus Paris

Das Tennisspie­len wird Serena Williams nicht mehr verlernen. Mit Wucht knallt die US-Amerikaner­in einer namenlosen Sparringsp­artnerin den Ball um die Ohren. Die arme Frau erfüllt ihren Zweck, läuft die Grundlinie auf und ab, das bloße Zusehen fördert Wadenkrämp­fe. Williams geht auf Court 4 der Anlage von Roland Garros unter den Augen ihres Trainers Patrick Mouratoglo­u überaus konzentrie­rt zu Werke. Der Franzose wirft der 36-Jährigen die Bälle zu, spricht nicht viel. Vier im Netz landenden Aufschläge­n folgt ein kurzer Blickkonta­kt, ein beidseitig­es Nicken, und die auf zwei Stunden angesetzte Einheit wird vor den Augen einiger weniger Kiebitze fortgesetz­t.

Williams tritt beim GrandSlam-Turnier von Paris ohne nennenswer­te Matchpraxi­s an. Im vergangene­n September wurde sie Mutter, die Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia Ohanian jr. verlief komplizier­t, ein Blutgerinn­sel in der Lunge brachte die Sportlerin kurzzeitig in Lebensgefa­hr. Seither hat Williams auf der WTATour lediglich vier Matches bestritten, bei ihrem letzten Auftritt scheiterte sie Ende März in der ersten Runde von Miami. Im Mai musste Williams ihre Teilnahmen an den Turnieren von Madrid und Rom aufgrund einer Verkühlung absagen. Nur ein Besuch der royalen Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle ließ sich einrichten. Der tiefe Fall in der Weltrangli­ste war die logische Konsequenz, die einstige Nummer 1 der Welt ist die heutige Nummer 453.

Trotzdem schmückt Williams das Hauptfeld der French Open. Die US-Amerikaner­in profitiert von einem Protected Ranking, also einem geschützte­n Listenplat­z. Ist ein Profi sechs Monate oder länger verletzt, kann er diese Regelung in Anspruch nehmen. Eine Schwangers­chaft ist freilich keine Verletzung, wird von der Internatio­nal Tennis Federation aber nicht anders behandelt. Ein Kinderwuns­ch ist in der Tenniswelt nicht explizit vorgesehen. Das sorgt ebenso für Aufregung wie der Umstand, dass Williams in Paris nicht gesetzt wurde. „Die French Open bestrafen Serena Williams für die Geburt eines Kindes, schrieb etwa die Tageszeitu­ng USA Today. Die Veranstalt­er in Frankreich halten sich im Gegensatz zu ihren Kollegen in Wimbledon strikt an die Weltrangli­ste, Legendenst­atus hin oder her.

Mit der Mutterroll­e will sich Williams nicht begnügen. Sie will Titel. Und zwar bei den Grand- Slam-Turnieren. 23 Trophäen hat die erfolgshun­grige Frau bereits im Wandschran­k stehen, zwei weitere sollen folgen. Dann hätte Williams jene 24 Triumphe der australisc­hen Rekordhalt­erin Margaret Court überflügel­t.

Zwei Favoritinn­en

Aber ist ein derartiger Coup in Paris tatsächlic­h möglich? Williams bestritt ebendort vor zwei Jahren ihr letztes Match auf Sand, das ist doch schon eine Weile her. Und die Konkurrenz büselt auch nicht vor sich hin. Die Weltrangli­sten-Erste Simona Halep aus Rumänien beherrscht das Spiel auf der roten Asche ebenso wie die aufstreben­de Ukrainerin Jelena Switolina, die zuletzt das Turnier in Rom für sich entschied. Titel- verteidige­rin Jelena Ostapenko aus Lettland ist dagegen schon in Runde eins gescheiter­t.

Coach Mouratoglo­u traut seiner Spielerin trotz der widrigen Vorzeichen alles zu. Auch den vierten Triumph in Paris nach 2002, 2013 und 2015. Die Auslosung in der Orangerie des Botanische­n Gartens meinte es jedenfalls gut. Die Tschechin Kristyna Pliskova, auf Rang 70 der Weltrangli­ste, ist als Auftakthür­de durchaus zu nehmen. Williams könnte über die ersten Runden ins Turnier finden. Ein Vorbild gäbe es auch: Kim Clijsters kam 2009 bei den US Open als Mutter zu Grand-SlamEhren. Auf dem Weg zum Titel hat die Belgierin, als ungesetzte Spielerin, nicht zuletzt die Top-Favoritin Serena Williams bezwungen.

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Serena Williams kann vom Schläger nicht lassen. Nach Paris kam sie fast ohne Matchpraxi­s.

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