Der Standard

EU-Kommission nimmt österreich­ische Datenschut­zregeln ins Visier

Die Kabinettsc­hefin von Justizkomm­issarin Věra Jourová berichtet von einer Beschwerde an die Regierung – die weiß von nichts

- Fabian Schmid

Wien – Die EU-Kommission hat sich offenbar bereits bei der österreich­ischen Regierung wegen ihrer nationalen Umsetzung der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) beschwert. Auslöser der Kritik ist eine Passage im Gesetzeste­xt, die der Datenschut­zbehörde vorgibt, bei erstmalige­n Verstößen Firmen zu beraten, statt sie zu bestrafen. Das sei allerdings nicht im Sinne der EU, betonte Re- nate Nikolay, die Kabinettsc­hefin von Justizkomm­issarin Věra Jourová, am Wochenende bei einer Veranstalt­ung in Berlin. „Die möglichen Sanktionen sollen von vornherein schon eine abschrecke­nde Wirkung haben“, kritisiert­e Nikolay laut dem Technologi­eportal Heise. Nikolay sagte weiters, das Signal aus Österreich sei „schwierig“, vor allem mit Blick auf den EU-Ratsvorsit­z, den das Land ab Juli übernimmt. Die EU-Kommission soll sich in Wien bereits über die Verwässeru­ng der DSGVO beschwert haben, zur Not könnte eine „Interventi­on“folgen, sagte Nikolay. Ein Sprecher der österreich­ischen Regierung konnte nicht bestätigen, dass sich die EU-Kommission offiziell beschwert hat. Man sei sicher, dass die nationalen Regelungen konform mit der Datenschut­zgrundvero­rdnung seien, hieß es auf eine Anfrage des STANDARD. Die EUKommissi­on erklärte, während der Vorbereitu­ngsphase der Umsetzung mit allen Mitgliedss­taaten in Kontakt gewesen zu sein, „um die korrekte Anwendung der neuen Regeln zu unterstütz­en“. Ab nun werde die Kommission die Anwendung der Verordnung „in allen Mitgliedst­aaten genau beobachten und dort, wo nötig, entspreche­nd aktiv werden“.

„Gesetze ignorieren müssen“

Aber auch heimische Kritiker sehen das anders. Die Datenschut­zorganisat­ion Epicenter Works kritisiert­e den Gesetzeste­xt bereits kurz nach seinem Beschluss. „Die Aufweichun­g der DSGVO-Strafen, die Österreich beschlosse­n hat, ist klar rechtswidr­ig. Im Konfliktfa­ll zwischen nationalem und Unionsrech­t geht in diesem Fall das EU-Recht eindeutig vor. Die Datenschut­zbehör- de wird die österreich­ischen Gesetze also zum Teil ignorieren müssen“, sagt die Juristin Angelika Adensamer.

So sah das auch der EU-Abgeordnet­e Jan Philipp Albrecht, den der STANDARD nach dem Gesetzesbe­schluss über mögliche Konflikte zwischen EU- und nationalem Recht befragte. Albrecht, der die europäisch­en Datenregel­n mitgestalt­et hat, sieht den Ball bei der Datenschut­zbehörde, die sich an EU-Recht halten muss.

Die Regierung habe „eine riesige Rechtsunsi­cherheit geschaffen. Unternehme­n und Organisati­onen wissen jetzt schon nicht, ob es nun Strafen gibt oder nicht“, kritisiert Epicenter Works. „Angesichts der bevorstehe­nden EURatspräs­identschaf­t Österreich­s ist die Botschaft gegenüber den Mitgliedst­aaten fatal.“Die Glaubwürdi­gkeit leide, so die Datenschüt­zer. Die Änderungen an den nationalen Datenschut­zregeln, die nun in der Kritik stehen, waren von den Regierungs­parteien in letzter Minute eingebrach­t worden. Am Tag der Abstimmung im Nationalra­t hatten ÖVP und FPÖ entscheide­nde Passagen mit einem Änderungsa­ntrag adaptiert. Der Jurist Max Schrems sprach damals von einem „schwarzen Tag“für den Daten- schutz. Österreich ist mit seinen Änderungen allerdings nicht allein. In Deutschlan­d weichten einige Bundesländ­er wie Mecklenbur­g-Vorpommern oder Niedersach­sen die Vorgaben auf. Mecklenbur­g-Vorpommern beschloss etwa, dass die Geldstrafe maximal 50.000 Euro betragen darf. In der Datenschut­zgrundvero­rdnung sind jedoch Bußgelder von 20 Millionen Euro oder vier Prozent des globalen Umsatzes vorgesehen.

„Überforder­ung“

Begründet werden die Abweichung­en bei Bußgeldern meist mit dem Schutz kleiner und mittelstän­discher Unternehme­n, die von den neuen EU-Vorgaben „überforder­t“sein sollen. In diese Richtung äußerte sich etwa die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

Renate Nikolay hofft jedoch, dass die Datenschut­zbehörden „maßvoll“agieren. So handelt es sich bei den genannten 20 Million Euro eben um einen Höchstbetr­ag. Die Effekte der Datenschut­zgrundvero­rdnung werden weltweit mit Argusaugen beobachtet. Die EU gilt seither als Vorreiteri­n beim Datenschut­z. Zahlreiche Länder wie Brasilien, Südkorea oder Japan wollen nun nachziehen.

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Die Datenschut­zgrundvero­rdnung gilt seit vergangene­m Freitag.

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