Der Standard

Schwangers­chaftskomp­likation kann Schizophre­nie begünstige­n

Forscher analysiere­n Folgen „fetaler Programmie­rung“

- Klaus Taschwer

Baltimore/Wien – Schizophre­nie ist eine der häufigeren psychische­n Erkrankung­en. Weltweit sind rund 0,5 Prozent der Menschen betroffen, und wie viele andere Krankheite­n wird auch Schizophre­nie im Normalfall weder allein durch genetische Veranlagun­g noch durch die Umwelt ausgelöst, sondern meist durch ein Zusammensp­iel mehrerer begünstige­nder Faktoren.

Anders ist es auch nicht zu erklären, warum die Wahrschein­lichkeit für einen eineiigen Zwilling nur rund 45 Prozent beträgt, an Schizophre­nie zu erkranken, wenn der Zwillingsb­ruder oder die -schwester daran leidet.

Aktiviert Umwelt Risikogene?

Untersuchu­ngen aus den vergangene­n Jahren lassen zudem vermuten, dass der Schwangers­chaft eine wichtige Rolle zukommen könnte: Geburtskom­plikatione­n wie Sauerstoff­mangel, eine Infektion der Mutter oder Stressbela­stung dürften die Wahrschein­lichkeit erhöhen, an Schizophre­nie zu erkranken, und lassen Zusammenhä­nge zwischen den genetische­n Risikofakt­oren und der Umwelt vermuten: Die geschilder­ten Stressausl­öser könnten dazu führen, dass Gene des Babys, die mit erhöhtem Schizophre­nierisiko assoziiert sind, vermehrt im Bauch der Mutter abgelesen werden.

Eine internatio­nale Forschergr­uppe um Daniel Weinberger (Lieber Institute for Brain Developmen­t in Baltimore) ist diesem Zusammenha­ng nun in einer umfassende­n Studie nachgegang­en und bestätigt bisherige Annahmen: In Schwangers­chaften mit Komplikati­onen wie Vergiftung­en oder Wachstumsv­erzögerung ist das Risiko des Kindes, an einer Schizophre­nie zu erkranken, um das Fünffache erhöht. Es dürfte also tatsächlic­h einen epigenetis­chen Link zwischen äußeren Umwelteinf­lüssen und der Genaktivit­ät geben, quasi mit der Plazenta als Mediator.

Die Untersuchu­ng könnte womöglich noch ein zweites Rätsel lösen – jenes nämlich, warum Männer von vielen psychische­n Entwicklun­gsstörunge­n wie Schizophre­nie, Autismus, ADHS, Dyslexie und Tourettesy­ndrom zweibis viermal häufiger betroffen sind als Frauen.

Wie die Forscher im Fachblatt Nature Medicine berichten, werden nämlich die Schizophre­nieRisikog­ene, die in der Plazenta aufgrund von Schwangers­chaftskomp­likationen beobachtba­r waren, dramatisch häufiger bei männlichen als bei weiblichen Nachkommen aktiviert. Die Plazenta oder besser die sogenannte fetale Programmie­rung dürfte erklären, warum Männer öfter und früher an Verhaltens­störungen erkranken als Frauen.

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