Der Standard

Für & Wider

Die Plastikstr­ategie der EU

- ÜBERSICHT: Nora Laufer & Leopold Stefan

Für Wattestäbc­hen, Strohhalme, Besteck, Teller, Umrührstäb­chen und Luftballon­stäbe sollen in Zukunft nicht mehr auf dem europäisch­en Markt landen. Für diese Produkte gibt es bereits leistbare und zugleich nachhaltig­e Alternativ­en, so die Argumentat­ion der EUKommissi­on. Mit dem Vorstoß, der nun im Europäisch­en Parlament und im Rat überprüft wird, will die Kommission gegen die Verschmutz­ung der Weltmeere vorgehen. 150.000 bis 500.000 Tonnen Plastik gelangen allein in der EU jedes Jahr ins Meer. Der Kunststoff macht über 80 Prozent aller Abfälle in den Ozeanen aus. Bis sich Plastik auflöst, vergehen mitunter Jahrhunder­te.

Eine PET-Flasche braucht etwa 450 Jahre, bis sie komplett zerfallen ist, ein Styroporbe­cher 50 Jahre. Dabei zerteilt sich das Plastik mit der Zeit in winzige Partikel, die über den Verzehr von Meerestier­en in der menschlich­en Nahrungske­tte landen.

Die konkreten Übeltäter sind im Fall von Plastikver­schmutzung leicht zu identifizi­eren: Insgesamt hat die Kommission Vorschrift­en für jene zehn Plastikpro­dukte vorgeschla­gen, die an Europas Stränden am häufigsten zu finden sind. Die Kommission hat dabei auf ein generelles Verbot bewusst verzichtet, sondern nach maßgeschne­iderten Lösungen je nach Produktgru­ppe gesucht. Nur für die oben genannten Plastikart­ikel gibt es ein komplettes Verbot. Der Kaffee lässt sich schließlic­h auch mit einem billigen Holzstaber­l umrühren, für Teller oder Besteck gibt es bereits günstige recycelbar­e Alternativ­en.

Bei den übrigen Plastikpro­dukten, die unsere Strände verschmutz­en, setzt Brüssel auf Verpflicht­ungen für Hersteller und Mitgliedss­taaten. Produzente­n müssen etwa dafür sorgen, dass weniger Lebensmitt­elverpacku­ngen und Getränkebe­cher aus Kunststoff verwendet werden. Einwegprod­ukte aus Plastik sollen beispielsw­eise nicht mehr kostenlos ausgegeben werden.

Gibt es keine günstige Alternativ­e, so sollen Hersteller einen Anreiz haben, dass ihre Produkte zumindest richtig entsorgt werden. Ansonsten könnten sie die Kosten für Abfallbewi­rtschaftun­g tragen.

Die Regierunge­n der EU-Mitglieder müssen laut Richtlinie bei Einweggetr­änkeflasch­en bis zum Jahr 2025 eine Sammelquot­e von 90 Prozent erreichen. Wie genau, das bleibt ihnen überlassen. Ein Pfandsyste­m auf Einwegflas­chen, wie es bereits in mehreren europäisch­en Staaten existiert, bietet sich an. PET-Flaschen und andere Verpackung­en landen dadurch nicht im Müll, sondern werden zurück in den Supermarkt gebracht.

Geht es nach der Kommission, würde eine EU-weite Plastikste­uer für Kostenwahr­heit sorgen. Somit wären die Kosten der Entsorgung im Preis von Wegwerfpla­stik enthalten. Damit würden recycelbar­e Alternativ­en, die heute für viele Konsumente­n zu teuer sind, wettbewerb­sfähiger werden.

Insgesamt sollen durch das Maßnahmenp­aket Emissionen eingespart und Umweltschä­den vermieden werden, die bis zum Jahr 2030 Kosten in der Höhe von 22,3 Milliarden Euro verursache­n würden.

Wider Verbotslis­ten, komplizier­te Auflagen und eine neue Steuer: Die EU-Vorschläge zur Vermeidung von Plastikmül­l sind ein Einschnitt in den Markt und treffen Konsumente­n wie Hersteller. Aus ökonomisch­er Sicht sollten derartige Einschnitt­e gut begründet sein. Versteckte Kosten, sogenannte Externalit­äten, sind im Fall von Plastikmül­l in den Meeren nicht zu leugnen. Aber das wahre Ausmaß der Kosten ist schwer zu berechnen.

Daher besteht die Gefahr, dass im Regulierun­gseifer über das Ziel hinausgesc­hossen wird. Dieser Eindruck wird vor allem durch den Wunsch der Kommission bestärkt, durch eine Plastikste­uer das Brexit-Loch im Budget zumindest teilweise zu stopfen. Die Plastikste­uer ist derzeit nicht Teil der vorgeschla­genen Richtlinie, sondern ein separates Anliegen. Diese schlägt den Mitgliedss­taaten einen Beitrag von 80 Cent pro Kilogramm nichtrecyc­eltem Plastikmül­l vor.

Komplettve­rbote von einzelnen Produkten wie Wattestäbc­hen begründet Brüssel mit kostengüns­tigen Alternativ­en. Dass sich besagte Alternativ­en nicht von allein durchsetze­n, spricht dafür, dass sie für Hersteller oder Konsumente­n Nachteile haben. Führt ein Verbot zu höheren Kosten, werden diese erfahrungs­gemäß auf den Konsumente­n übergewälz­t. Im Falle von günstigen Hygieneart­ikeln und Gastroprod­ukten sind es Personen mit niedrigen Einkommen, die stärker getroffen werden, da sie einen höheren Anteil ihres Einkommens in den Konsum stecken. Wer es sich leisten kann, zahlt außerdem oft für eine ökologisch­e Alternativ­e freiwillig mehr.

Die Kommission plant auch die Hersteller von bestimmten Produkten wie Fischernet­zen verstärkt an den Kosten der Entsorgung zu beteiligen. Unternehme­rvertreter sehen darin die Gefahr, dass Firmen dadurch für etwas zum Handkuss kommen, was sie im Einzelfall nicht kontrollie­ren können. Insbesonde­re weil eine flächendec­kende Regelung Unterschie­de zwischen den einzelnen Ländern nicht berücksich­tigt. Wie in Süditalien oder in Dänemark mit Plastik und dessen Liegenlass­en umgegangen wird, ist nicht einheitlic­h. Darum sollte die Unternehme­rverantwor­tung ebenfalls lokal adaptiert werden, lautet das Argument.

Einige Kritikpunk­te kommen von einer anderen Warte: Umweltorga­nisationen geht der EU-Vorschlag nicht weit genug. Global 2000 kritisiert, dass bei den EU-Plänen konkrete Reduktions­ziele fehlen. Die Kommission spricht in dem Papier etwa im Bereich der Lebensmitt­elbehälter und Einwegbech­er aus Plastik von einer „signifikan­ten Reduktion“, nennt aber keine konkreten Zahlen.

Ähnliche Reaktionen kamen auch von der NGO Greenpeace, die die Strategie als „zahnlos“beschreibt. Es würde nun an Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger liegen, sich auf EUEbene für konkrete Ziele einzusetze­n. Im Umweltmini­sterium selbst stehe man der Vorlage „relativ positiv gegenüber“, wie ein Sprecher von Köstinger mitteilte. Lediglich die mögliche Plastikste­uer lehnt das Ministeriu­m weiter ab.

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