Der Standard

Er ist nicht Jesus In den USA kennt ihn jeder: Shepard Fairey ist neben Banksy einer der berühmtest­en Street-Art-Künstler. Im Gegensatz zum Kollegen kennt man aber auch seine Identität. In Wien hat Fairey jetzt ein Mural und eine Ausstellun­g gestaltet. Ga

- Anne Katrin Feßler

Kaum in Wien angekommen, hatte Shepard Fairey der Stadt schon seine Handschrif­t aufgedrück­t. Über Nacht prangte auf einem Bauzaun in Margareten plötzlich sein berühmter „Giant“. Die maskenhaft­e Visage des Profi-Wrestlers André the Giant hatte der Street-Art-Künstler Fairey 1989 noch als Designstud­ent für sich entdeckt. Zusammen mit dem Slogan „Obey“– gehorche! – klebte er seine StickerPro­paganda an Hauswände und Straßenlat­ernen von Los Angeles bis Berlin.

Weit über die Street-Art-Szene hinaus berühmt sollte den heute 48-jährigen US-Amerikaner aber das Konterfei Barack Obamas machen. „Hope“schrieb er 2008 unter den rot-blau-weißen und in Eigenregie produziert­en ikonischen Entwurf. Ein Spiel mit Pop-Art, das so einschlug, dass es zum offizielle­n Wahlplakat Obamas erkoren wurde.

Faireys neuer Wiener Giant ist allerdings ein Winzling. Er steckt – auch metaphoris­ch – in der Hand eines größeren Giganten, eines glatten Werbefritz­en, der einer Reklame der 1950er entstiegen sein könnte. Dieser antikapita­listische Gestus ist nichts Ungewöhnli­ches. Seit ihren Anfängen ist Street-Art auch eine Aktionsfor­m gegen die profitorie­ntierte Werbewelt.

Die der Werbung abgekupfer­te Prägnanz machte auch die Street-Art selbst populär. Der rebellisch­e Geist der autonomen, subkulture­llen Szene zog, unterbroch­en von diversen Wirtschaft­skrisen, als „radical Chic“in Museen und kommerziel­le Galerien ein. Private Auftraggeb­er gaben ganze Wandbilder – sogenannte Murals – in Auftrag. Ein Erfolg, der auch an der „Street Credabilit­y“der Künstler kratzt. Denn ursprüngli­ch hatte man ja die Kunst auf die Straße geholt, sie öffentlich, demokratis­ch, also für jeden zugänglich gemacht.

„Es gibt diese Vorstellun­g vom Street-ArtKünstle­r als eine Art Jesusfigur. Dieser lebt und leidet in Unverdorbe­nheit, um dich freizuspre­chen von deinen Sünden, während du dich zurücklehn­st und dein komfortabl­es Leben genießt“, kommentier­t Fairey die Kritik, Street-Art sei zu kommerziel­l geworden.

Allerdings: „Street-Art ist nur Street-Art, solange sie auf der Straße stattfinde­t.“Dass die Kunst, die er und andere Street-Artists schaffen unter dem „faulen Label” Urban Art verkauft wird, schmeckt auch Fairey nicht. Nach dieser Definition wären seine Murals auch eher Kunst im öffentlich­en Raum. Richtig sauer macht ihn hingegen, wenn Kunst, die für die Straße gemacht wurde, aus dem Zusammenha­ng gerissen wird. Wenn aus Abzocke ganze Mauern ins Museum umziehen. Tatsächlic­h ist Fairey auch nicht allein für Nacht-und-Nebel-Ak- tionen nach Österreich gekommen. Die Galerie Hilger hat ihn für eine Ausstellun­g eingeladen und ihm die Rutsche zum Flughafen gelegt, wo Fairey am Terminal 1 ein Mural realisiert­e. Murals könne man nur legal produziere­n, so Fairey. Für etwas, was schnell und unbemerkt vonstatten­gehen muss, sind sie einfach zu groß. Selbst in Schablonen­technik, sogenannte­n „Stencils“, geht das in diesen Feuermauer­formaten nicht.

Kunst ist für jedermann

„Ich mache seit beinahe 30 Jahren StreetArt“, so Fairey, „und heute sogar noch mehr als zu Beginn, als ich gar kein Geld hatte.“

Fairey ist in einer luxuriösen Situation und macht seine Entscheidu­ngen für oder gegen Projekte tatsächlic­h nicht von dem abhängig, was sie ihm einbringen. Er ist eine Größe am Kunstmarkt. Bei Auktionen spielen seine künstleris­chen Arbeiten inzwischen fünf-, bisweilen auch sechsstell­ige Summen ein. Dennoch kann man auf seiner Webseite um 30 Dollar einen signierten Druck und um fünf Dollar ein Stickerpak­et erwerben. Fairey, der auch die Covers von Musikalben – etwa für Neil Young oder Interpol – und eine Fashionlin­ie gestaltet, ist die Zugänglich­keit seiner gesellscha­ftskritisc­hen Sujets extrem wichtig. Vorbild ist da Keith Haring. Als Haring begann, war hochschwel­lige Konzeptkun­st angesagt. Er konterte mit „Kunst ist für jedermann“.

„Ich mag die Idee von Künstlern, die willens sind, Risiken auf sich zu nehmen.“18mal wurde Fairey festgenomm­en, zuletzt vor zweieinhal­b Jahren in Detroit. Man kann es ihm nicht verübeln, dass er heute, wo er Frau und Kind hat, vorsichtig­er geworden ist. Denn je mehr kriminelle Akte man in den USA ansammelt, umso riskanter wird es. Durch die ‚Three-Strikes‘-Regel kann man wirklich ernste Gefängniss­trafen ausfassen. Da sei es das Letzte, was er von einem „beschissen­enen 18-Jährigen“hören wolle, dass er es „nicht echt genug halte“.

Das Wandbild am Terminal 1 ist – trotz angebliche­n Freibriefs – unglaublic­h zahm, ja dekorativ geworden. Eine Frau, einer Sonnenbril­lenreklame entlehnt, ist in allerlei Dekor gebettet. Dem hübschen Bubikopf begegnet man auch in der Galerie: Golden Future (bis 31. 7.) heißt die Schau, die auf die wachsende soziale und ökonomisch­e Kluft, auf Xenophobie, Sexismus und Umweltzers­törungen Bezug nimmt. Während Fairey dort der Strategie „Verlocken und Provoziere­n“folgend die verführeri­sche Ästhetik bricht, etwa mit Begriffen wie Gleichheit, Ignoranz und Arbeit Akzente setzt, fehlen solche Störmoment­e am Flughafen. Warum? „Damit es bewilligt wird.“

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„Obey“war eine Reaktion auf die Machtlosig­keit normaler Menschen: Shepard Fairey (48).

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