Der Standard

Kickl lässt Gridling einen Geheimdien­st bauen

Peter Gridling ist wieder da – und genießt neuerlich das Vertrauen des Innenminis­ters. Dieser lässt ihn ein neues Geheimdien­stkonzept aufsetzen.

- Conrad Seidl

Beste Freunde sind sie wohl nicht – aber Profis, die ein gemeinsame­s Projekt verfolgen, sind sie wohl. Man kennt das aus Filmen über Geheimdien­ste. Und um einen Geheimdien­st ging es auch, als Herbert Kickl sich am Dienstag mit Peter Gridling in den Festsaal des Innenminis­teriums setzte, um „den Tag eins eines neuen Staats- und Verfassung­sschutzes“zu verkünden.

Am Wort: Der Innenminis­ter, ein freundlich lächelnder Freiheitli­cher, der in den Akten des bisherigen Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) immer wieder aufgetauch­t ist, weil er bei Treffen von rechten Gruppen aufgetrete­n ist, die unter Beobachtun­g der Verfassung­sschützer stehen. Ob der neu aufzustell­ende Staatsschu­tz vielleicht rechte Scheuklapp­en bekommen soll, wird der Minister von den Journalist­en gefragt. Kickl lächelt das weg: „Keinen einzigen blinden Fleck“dürfe es bei der Gefahrenbe­obachtung geben, 360 Grad müsse das Beobachtun­gsfeld der Staatsschü­tzer haben.

Profession­eller sollten sie halt sein – und befreit von polizeilic­hen Aufgaben. „Ich freue mich, dass wir künftig den Fokus auf die Prävention­sarbeit legen werden“, sagt Gridling. Man hat den Eindruck, dass zwischen ihm und dem Minister, der ihn im März gleichzeit­ig in seiner Funktion als BVT-Chef bestätigt und suspendier­t hat, tiefe sachliche Übereinsti­mmung herrscht. Und persönlich? Nach der Aufhebung der Suspendier­ung am 22. Mai herrsche ein profession­elles Verhältnis, versichern beide – Gridling allerdings ohne Lächeln.

In der Sache geht es darum, den Verfassung­sschutz neu aufzustell­en – denn die von Kickl und seinem Umfeld in Gang gebrachten staatsanwa­ltschaftli­chen Unter- suchungen haben nicht nur im Amt selbst, sondern auch in dessen internatio­nalem Umfeld für massive Verunsiche­rung gesorgt: Wie viel Vertrauen können Partnerdie­nste einem Geheimdien­st entgegenbr­ingen, dessen geheimste Informatio­nen von einfachen Polizisten im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft beschlagna­hmt werden können? Noch dazu, wenn Teile dieser Informatio­nen dann im Falter veröffentl­icht werden?

Verunsiche­rte Staatssich­erheit

Der Falter hat tatsächlic­h am Dienstag kurz vor Kickls Pressekonf­erenz Details der Hausdurchs­uchung im BVT online bekanntgem­acht – und längst geht es dabei nicht mehr um die Affäre um nordkorean­ische Reisepässe (was an sich als Staatsgehe­imnis zu behandeln wäre), sondern darum, wie Geheimdien­stler und Polizisten, das politische Umfeld des Ministers und die Beamtensch­aft miteinande­r rivalisier­en.

Das wäre nicht ungewöhnli­ch, so etwas kommt bei Geheimdien­sttätigkei­ten schon einmal vor. Dass aber Mails der Betroffene­n – die der freiheitli­chen Ministeriu­msführung einen „Angriff von innen“vorwerfen – in der Öffentlich­keit landen, ist eine neue Qualität. Eine Qualität, auf die Kickl mit dem lakonische­n Hinweis reagiert, dass nicht alles, was im Falter abgedruckt wird, auch wahr sein müsse. Immerhin: Dass seine Mitarbeite­r im BVT stark verunsiche­rt seien, das räumt auch Gridling ein.

Aber er kann weder den Mitarbeite­rn noch den Journalist­en erklären, wie die Zukunft des Staatsschu­tzes künftig ausschauen könnte. Den Journalist­en empfiehlt er, sich mit Spekulatio­nen darüber zurückzuha­lten – bis zum Herbst würden die organisato­rischen Änderungen geprüft, bis zum nächsten Sommer würden sie dann umgesetzt. Dass alles, was irgendwie nach Polizeiarb­eit aussieht, vom BVT zum Bundeskrim­inalamt (beziehungs­weise zu den Landeskrim­inalämtern) wandern soll und nur mehr die Kernaufgab­e der nachrichte­ndienstlic­hen Tätigkeit beim BVT bleiben soll, gilt aber als relativ sicher. Damit würde das 2002 aus der Staatspoli­zei hervorgega­ngene BVT, an dessen Aufbau Gridling neben seinem Amtsvorgän­ger Gert René Polli maßgeblich beteiligt war, wieder auf die alten staatspoli­zeilichen Agenden zurückgefü­hrt.

Gridling sieht das – wie auch Kickl – rechtlich durch das Staatsschu­tzgesetz gedeckt. Und er versichert, dass man sich beim Umbau, der ja das internatio­nale Vertrauen in die heimischen Staatsschü­tzer und Terrorfrüh­warner wiedergewi­nnen soll, auf externe Expertise und „befreundet­e Dienste“stützen werde. Dazu muss man wissen, dass die alte Staatspoli­zei vor der Reform von 2002 stark unter dem Einfluss der CIA gestanden ist. Die Amerikaner wurden von Polli zurückgedr­ängt, woraufhin diesem alle möglichen Prügel vor die Füße geworfen wurden, bis er schließlic­h 2007 das Amt an Gridling übergeben musste.

Jetzt also werden die „befreundet­en Dienste“wieder ins Boot geholt.

Gleichzeit­ig wird ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Nationalra­ts – parallel zur Justiz – die Vorgänge rund um die NordkoreaA­ffäre und deren Aufarbeitu­ng zu prüfen versuchen. Schon gibt es politische Aufregung darüber, dass viele der Akten, die den Abgeordnet­en zur Verfügung gestellt werden, in wesentlich­en Punkten geschwärzt sind, weil es um Staatsgehe­imnisse geht. Die Neos fordern dazu eine Sondersitz­ung des Parlaments.

Brillanter Schachzug, Innenminis­ter Herbert Kickl. Der Versuch, das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) zu diskrediti­eren und seinen Chef, Peter Gridling, wegzumobbe­n, hat nicht so richtig geklappt. Da beruft Herbert Kickl eine Pressekonf­erenz ein, auf der er verkündet, das BVT werde nun richtig reformiert und ausführend­es Organ werde ebenjener Peter Gridling, dessen Suspendier­ung das Verwaltung­sgericht soeben aufgehoben hat. Gridling sitzt daneben und sagt, er werde ein loyaler Beamter sein. amit ist zunächst ein-

Dmal Kickls Kopf halb aus der selbstgekn­üpften Schlinge. Es gibt noch einen Untersuchu­ngsausschu­ss. Inzwischen kommen aber Tag für Tag neue Ungeheuerl­ichkeiten über die neue FPÖ-Riege im Ministeriu­m ans Tageslicht.

Es werde kein Umfärben des BVT geben, sagt Kickl. Eh nicht, nur ein Unschädlic­hmachen. Kickl ist Gridling nicht losgeworde­n, darauf kooptierte er ihn. Gridling, voll des Beamteneth­os, muss mitmachen. Inzwischen ist das jetzige BVT kaputtgema­cht. Insbesonde­re die Leiterin des Extremismu­sreferats, die peinliches Material über Kickls rechte Kontakte gesammelt und gefährlich­e Neonazis ins Gefängnis gebracht hatte, beschwert sich in einer E-Mail, dass ihre Arbeit zerstört und sie persönlich von Rechtsextr­emen bedroht wird.

Außerdem sind, wie der Falter groß berichtet, extrem heikle andere Dokumente wie eine Quellenlis­te bei einer vom In- nenministe­rium betriebene­n Hausdurchs­uchung im und außerhalb des BVT außerhalb des Hauses gelangt. Insgesamt haben sich drei wichtige BVTMitarbe­iter mit ihrem Horror vor diesen Methoden bei der Justiz beschwert.

Das Ganze beruht auf einem Konvolut von wilden, zum Teil lächerlich­en, zum Teil peinlichen, zum Teil rechtlich nicht relevanten Insiderinf­os aus dem BVT, das ein Insider vor einem Jahr an Gott und die Welt verschickt­e. Niemand biss an, denn das Material liest sich wie jeneWe lt verschwöru­ngs pamphlete, eng st beschriebe­n und mit Millionen Ausrufungs­zeichen, die uns Journalist­en immer wieder von Zeitgenoss­en mit Flackerbli­ck präsentier­t werden. Bis dieFPÖ das Innenminis­terium übernahm. Da marschiert­e der neue Generalsek­retär Peter Gold grub er, Gründer der F P- Polizei gewerkscha­ft, mit dem Material persönlich zur Korrupt ions staatsanwa­ltschaft. Einander er Mitarbeite­r Kickls schleppte persönlich„ Belastungs­zeugen“an, von denen mindestens eine vor der Staatsanwa­ltschaft aussagte, das Ministeriu­m habe sie geschickt, sie wisse nicht, warum.

Dazu fällt Kickl nur ein, man solle nicht zu viel auf „subjektive Wahrnehmun­gen einzelner Beamter legen“. Die Frage, ob nicht zumindest extremes Missmanage­ment seitens seiner Person und seiner Mitarbeite­r vorliegt und ob nicht das Ganze nur dazu dienen soll, die Beobachtun­g der extremen Rechten abzuwürgen, bleibt unbeantwor­tet. ie Rechten haben den

DSicherhei­tsapparat übernommen. Das blieb nicht ohne die erwarteten Folgen und wird noch weitere Folgen zeitigen. hans.rauscher@derStandar­d.at

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Minister und Spion: Herbert Kickl (FPÖ, li.) lässt Peter Gridling das BVT zu einer Staatspoli­zei umbauen.
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