Der Standard

Regierungs­bildung und Morddrohun­gen

Italiens designiert­er Premier Cottarelli möchte so schnell wie möglich loslegen, um das Budget für 2019 zu beschließe­n und Neuwahlen auf den Weg zu bringen. Doch die Politik wird von hässlichen Tönen begleitet.

- Gianluca Wallisch

Vieles in Italien erinnert dieser Tage an längst vergangene Zeiten vor 40 Jahren. Damals, in den „bleiernen Jahren“, waren die Fronten zwischen den politische­n Kräften des Landes – das waren die Christdemo­kraten und die Kommuniste­n – ganz besonders verhärtet und die Gräben ganz besonders tief.

Und auch heute stehen die Zeichen auf Dauerkonfl­ikt. Da droht etwa der politische Chef der an der Regierungs­bildung gescheiter­ten Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, mit Obstruktio­n und Massenprot­esten – egal, wie die Regierungs­bildung unter dem Ökonomen Carlo Cottarelli verlaufen wird. „Hängt die Tricolore an eure Fenster!“, appelliert­e er an seine Anhänger – als ob Italien als gesamte Nation dem Untergang geweiht sei.

Für den kommenden Tag der Republik am 2. Juni kündigte Di Maio Massenkund­gebungen in allen größeren Städten des Landes an. Unterstütz­t wird diese Initiative von seinem Kompagnon, LegaChef Matteo Salvini: „Eigentlich hätten wir diesen Tag feiern wollen, weil wir hofften, da an der Regierung zu sein. Aber nun werden wir auf tausend Plätzen sein, um zu erklären, dass jemand Schuld daran hat, dass wir nicht regieren können.“

Dieser „Schuldige“ist schnell ausgemacht: Sergio Mattarella. Der Staatspräs­ident hatte die Pläne Di Maios und Salvinis mit dem Juristen Giuseppe Conte als Ministerpr­äsident zunichtege­macht, indem er den streitbare­n Eurogegner Paolo Savona als „Superminis­ter“für Wirtschaft und Finanzen abgelehnt hatte.

Der 76-jährige Verfassung­srechtler Mattarella wurde seit Sonntagabe­nd – als er sein Veto gegen Savona einlegte – in den sozialen Medien des Landes wüst beschimpft und mitunter auch bedroht. Unbekannte wünschten dem Sizilianer den Tod – wie jenen seines Bruders Piersanti, der 1980 als Präsident des sizilianis­chen Regionalpa­rlaments von der Mafia ermordet wurde. Andere bezeichnet­en ihn als „Diktator“.

Während die Polizei Ermittlung­en wegen Morddrohun­gen aufgenomme­n hat, erklärten sich die Sozialdemo­kraten, die nun den Sessel des Regierungs­chefs räumen müssen, solidarisc­h mit Mattarella. Sie riefen für Freitag zu Demonstrat­ionen in Rom und Mailand auf. Gemeinsam wollen sie damit die staatliche­n Institutio­nen und das Amt sowie die Person des Präsidente­n verteidige­n.

Vor diesem Hintergrun­d wurde am Dienstagab­end auch der Gang des designiert­en Premiers Carlo Cottarelli zu Präsident Mattarella am römischen Quirinalsh­ügel zum Sicherheit­sproblem. Die Polizei verstärkte schon vor Tagen ihre ohnehin schon weithin sichtbare Präsenz rund um die Regierungs­gebäude in Rom.

Hürde Misstrauen­svotum

Cottarelli hat aber noch ganz andere, nämlich politische Probleme: Wann immer er mit einem Regierungs­team die Arbeit aufnehmen möchte, braucht er die Mehrheit der Abgeordnet­en hinter sich, um etwa das dringend notwendige Budgetgese­tz für 2019 durchzubri­ngen. Ob das gelingt, ist mehr als fraglich: Die bisher regierende­n Sozialdemo­kraten pokern schon im Hinblick auf den kommenden Wahlkampf und werden sich wohl der Stimme enthalten.

Von den Fünf Sternen, der Lega und anderen Rechtspart­eien ist auch ein Nein zu erwarten. Und sollte Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia ausscheren und für Cottarelli stimmen, dann wäre das nach einer entspreche­nden Drohung Salvinis an Berlusconi­s Adresse auch das Ende des bei der Wahl vom 4. März so erfolgreic­hen Mitte-rechts-Bündnisses.

Doch vielleicht hat der bereits 81-Jährige genau das vor: Da sein Ämterverbo­t infolge einer Verurteilu­ng wegen Korruption vor wenigen Wochen vorzeitig aufgehoben wurde, darf Berlusconi wieder selbst kandidiere­n. Und eines hat der viermalige Skandalpre­mier stets bewiesen: ein brillanter Wahlkämpfe­r zu sein.

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Cool wie ein FBI-Agent: Carlo Cottarelli auf dem Weg ins Parlament, wo er am Dienstag seine Ministerli­ste komplettie­ren wollte.

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