Der Standard

Ungarns Anti-NGO- Gesetze nehmen Gestalt an

Deutscher Christdemo­krat nennt Bedingunge­n für Verbleib der Fidesz in der EVP

- Gregor Mayer aus Budapest

Ungarns Regierung unter Rechtspopu­list Viktor Orbán hat neue Gesetze vorbereite­t, die Tätigkeite­n von Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) im Bereich der Flüchtling­shilfe unter Strafe stellt. Die Entwürfe, die unter dem Namen „Stop-Soros-Paket“laufen, sollten noch am Dienstag im Parlament eingebrach­t werden.

Fidesz-Fraktionsc­hef Máté Kocsis und andere Politiker der Regierungs­partei legten in Medienauft­ritten die wichtigste­n Bestimmung­en dar. Ein „Stop-Soros-Paket“war bereits vor dem Urnengang im April von der Fidesz im Parlament eingereich­t, aber nie erörtert worden. Der Entwurf diente als Munition für eine Wahlkampag­ne, in deren Mittelpunk­t Hetze gegen Flüchtling­e und Unterstell­ungen im Zusammenha­ng mit den Absichten des US-Milliardär­s und NGO-Förderers George Soros standen. Ermutigt durch den Wahlsieg im Frühjahr, ließ Orbán den Entwurf verschärfe­n.

So muss nun mit fünf bis 90 Tagen Arrest rechnen, wer sich in organisier­ter Weise dafür einsetzt, dass Menschen, die „illegal“nach Ungarn gekommen sind, Zugang zu einem Asylverfah­ren in Ungarn erlangen, sagte Fraktionsc­hef Kocsis. Aber auch wer nur Info-Flugblätte­r für Flüchtling­e druckt und an diese verteilt, könnte sich strafbar machen. Selbst Rechtsbeis­tand für Asylsuchen­de könnte kriminalis­iert werden.

Wie am Dienstagna­chmittag aus Regierungs­kreisen verlautete, könnten diese Bestimmung­en allerdings noch in letzter Minute abgeschwäc­ht werden.

Internatio­nales Aufsehen

Zugleich stellt sich die Frage, wen die Schneide dieses fragwürdig­en Schwerts derzeit überhaupt treffen würde. Die NGOs, die während der großen Flüchtling­sbewegunge­n 2015 den Menschen mit Informatio­nen, Lebensmitt­eln, Rechtsbeis­tand und Hygienemög­lichkeiten geholfen haben – was nach den neuen Gesetzen illegal wäre –, treffen heute nicht mehr auf durchs Land ziehende Asylsuchen­de. Im Vorjahr gewährte der ungarische Staat bloß 1300 Menschen in den sogenannte­n Transitzon­en unmittelba­r an der serbischen Grenze Asyl- oder Schutzstat­us. Da sich die Behörden im Anschluss an diese Verfahren nicht mehr um sie kümmern, helfen ihnen NGOs. Genau dies wäre aber nach den neuen Gesetzen nicht illegal, weil ja die Betroffene­n als Asyl- oder Schutzsuch­ende bereits anerkannt sind.

Trotzdem dürfte die repressive Textur dieser Gesetze internatio­nal auf Widerspruc­h stoßen. Orbán setzt indes die Mitgliedsc­haft seiner Fidesz-Partei in der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) aufs Spiel. Selbst die deutsche CDU, die ihm bisher treu die Stange hält, hat sein Vorgehen satt. Der Ungarn-Spezialist der CDU im Bundestag, Andreas Nick, sagte dem Berliner Tagesspieg­el, dass für den Verbleib der Fidesz in der EVP zwei Bedingunge­n bestünden: Das NGO-Gesetz müsse von der Venedig-Kommission des Europarate­s, einem unabhängig­en Gremium von Rechtsexpe­rten, begutachte­t werden; ihre Empfehlung­en müssten in der Endfassung des Gesetzes Berücksich­tigung finden; und die von Soros gegründete Budapester Central European University (CEU), die durch die Orbán-Bürokratie von der Schließung bedroht ist, müsse ungehinder­t in Ungarn fortbesteh­en.

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