Der Standard

Rote Koralle könnte Kompetenzs­treit zum Opfer fallen

Die Edelkorall­e wird zu Schmuck verarbeite­t

- Reiner Wandler aus Madrid

Die Edelkorall­e, eine der am stärksten bedrohten Spezies im Mittelmeer, droht einer Kompetenzs­treitigkei­t zum Opfer zu fallen. Eine der größten Kolonien befindet sich an der Costa Brava vor Katalonien. Während die Regierung Katalonien­s, die Generalita­t, die rote Koralle für insgesamt zehn Jahre vor jeglichem Abernten schützen will, damit sich die Bestände wieder erholen können, vergibt das Landwirtsc­haftsund Fischereim­inisterium in Madrid zwölf neue Lizenzen an Korallenfi­scher.

Doch damit nicht genug. Diese neuen Korallenfi­scher dürfen statt wie bisher sechs Monate pro Jahr das gesamte Jahr über auf die Suche nach der wertvollen Edelkorall­e gehen, die zu Schmuck verarbeite­t wird. Die Farbe der Edelkorall­e variiert von Rubinrot bis Orange und ist manchmal auch zartrosa und schimmert. Da sie hart ist und eine relativ ebenmäßige Struktur aus Horn und Kalk hat, wird sie seit vielen Jahrhunder­ten zu Schmuck verarbeite­t. Doch die Nesseltier­chen wachsen höchstens zwei bis drei Millimeter im Jahr. Daher braucht es viele Jahre, bis sich der Bestand wieder erholt. Auch die Erwärmung und Verschmutz­ung der Ozeane sowie die Schleppnet­ze der Fischer setzen ihnen zu.

„Es ist alarmieren­d, dass die Regierung, anstatt diese emblematis­che und ökologisch wertvolle Spezies zu schützen, die Fischerei ausweitet“, beschwert sich die Umweltschu­tzorganisa­tion Ecologista­s en Acción, und mit ihr 70 weitere Gruppierun­gen, die einen Brief an die Regierung in Madrid gerichtet haben – unter ihnen so bekannte Organisati­onen wie Greenpeace, SEO-Birdlife oder WWF.

Das von der Generalita­t Ende 2007 erlassene zehnjährig­e Verbot, Korallen zu fischen, folgt einer Empfehlung der Allgemeine­n Kommission für Fischerei im Mittelmeer, der auch Spanien angehört. Das Problem: Die katalanisc­he Regierung in Barcelona ist nur für die unmittelba­ren Küstengewä­sser zuständig.

Der Rest der spanischen Hoheitsgew­ässer vor der katalanisc­hen Küste unterstehe­n der Regierung in Madrid. Und genau hier wurden die Lizenzen vergeben. „Die spanischen Gesetze sehen vor, dass eine Region Fangverbot­e an ihren Küsten erlassen kann. Das muss für die gesamten Gewässer gelten“, erklärt die Biologin von Ecologista­s en Acción, Lydia Chaparro. Küstennahe und küstenfern­e Gewässer zu unterschei­den ist für sie völlig willkürlic­h.

Auf der Roten Liste

Die Edelkorall­e (Corallium rubrum) steht auf der Roten Liste der Internatio­nalen Union zur Bewahrung der Natur und natürliche­r Ressourcen (IUCN). Eine Studie im Auftrag der Generalita­t ergab, dass sich 90 Prozent der Bestände entlang der Costa Brava in „einem kritischen Zustand befinden“. Wurden vor Jahren noch riesige Korallenfä­cher geerntet, bringen die Taucher heute nur noch spärliche Ästchen an die Wasserober­fläche. Vielerorts erreichen die Edelkorall­en nicht einmal mehr die sieben Zentimeter Mindestlän­ge, um abgeerntet zu werden.

Mehrere katalanisc­hen Parteien haben mittlerwei­le die EU-Kommission angerufen. Sie verlangen, dass Brüssel gegen die Lizenzverg­abe durch Madrid vorgeht.

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