Der Standard

Ansteckung­sgefahr

Eine Zuspitzung der Krise in Italien birgt große Risiken für die Eurozone, allerdings hält die EZB den Feuerlösch­er bereit

- Andreas Schnauder

Die Märkte werden von der italienisc­hen Regierungs­krise ordentlich durchgerüt­telt. Für Leute, die den Finanzmark­t weniger am Radar haben, mag das nicht von allzu großem Interesse sein. Doch die aktuellen Turbulenze­n können weitreiche­nde Folgen haben. Daher lohnt ein Blick darauf, wie groß die Ansteckung­sgefahr für die Eurozone sein könnte.

Der Krisenherd Die Achillesfe­rse Italiens sind die hohen Staatsschu­lden im Volumen von 2,3 Billionen Euro oder 130 Prozent der Wirtschaft­sleistung. Zur Erinnerung: Die Währungsun­ion hat sich eigentlich eine Obergrenze von 60 Prozent verordnet. Die wird zwar deutlich verfehlt, die durchschni­ttliche Verschuldu­ng der Euroländer von knapp 90 Prozent zeigt aber, dass das Problem Italiens gravierend ist. Nur Griechenla­nd hat im Verhältnis zum BIP höhere Außenständ­e.

Der Zünder Diese Situation ist keineswegs neu, der große Anstieg der Verschuldu­ng erfolgte in den 1970er- und 1980er-Jahren. Neuen Zund hat die Gefahr durch das Programm der mittlerwei­le gescheiter­ten Regierung aus Lega Nord und Fünf-Sterne-Bewegung erhalten. Die Rücknahme von Pensionsre­formen oder die Einführung eines Grundeinko­mmens könnten die Verschuldu­ng weiter anheizen, so die Befürchtun­g an den Märkten. Dazu kamen EU-kritische Positionen. Viele Investoren befürchten nun, dass Neuwahlen die beiden populistis­chen Parteien stärken und somit zu einer Neuauflage der Koalition führen könnten.

Die Brandgefah­r Die Nervosität hat einen alten Teufelskre­is wieder in Bewegung gesetzt. Banken hängen von Staaten ab und umgekehrt. Weil das Risiko einer Schieflage Italiens gestiegen ist, muss das Land höhere Zinsen auf Kredite zahlen. Dazu gegengleic­h sinken die Kurse der Staatsanle­ihen. Die größten Kreditgebe­r Italiens sind die Banken des Landes. Ihre Forderunge­n sind – gemessen an den Kursen der Papiere – nun deutlich weniger wert. Daher fallen auch die Finanzakti­en besonders stark. Aktuell lässt sich das Engagement der Banken nicht genau beziffern. Aus dem letzten EU-weiten Stresstest 2016 ging hervor, dass die fünf größten Banken auf Staatsanle­ihen im Wert von 180 Milliarden Euro saßen.

Experten gehen davon aus, dass das Volumen in der Zwischenze­it dank Wertpapier­käufe der Europäisch­en Zentralban­k gesunken ist. Das Risiko wurde also auf die Währungsun­ion verlagert. Freilich wird von der italienisc­hen Notenbank betont, dass die Banken – darunter mit Unicredit die Mutter der Bank Austria – heute viel besser mit Eigenkapit­al ausgestatt­et und somit deutlich stabiler als nach Ausbruch der Finanzkris­e 2008 sind.

Der Flächenbra­nd Richtig ungemütlic­h würde es, wenn sich die Euro-Austrittst­endenzen verstärken sollten. Einerseits könnte das Land dann seine Euroschuld­en nicht mehr bezahlen, weil eine Rückkehr zur Lira mit einer massiven Abwertung verbunden wäre. Anderersei­ts wäre auch das große Loch in der Zahlungsbi­lanz der Euro-Notenbanke­n kaum zu stopfen: In diesem sogenannte­n Target2-System belaufen sich die Forderunge­n gegen Italien auf knapp 450 Milliarden Euro. „Schon jetzt sind die Schulden Italiens längst zu einem großen Teil europäisch­e Schulden“, heißt es dazu beim Bankhaus Krentschke­r.

Trotz der Nervosität an den Märkten ist die Euro-Austrittsw­ahrscheinl­ichkeit derzeit gering. Raiffeisen Research bewertet sie mit höchstens acht Prozent. 2012 lag dieser Wert bei 60 Prozent. Derzeit überwiegt die Einschätzu­ng, dass die EZB zum Feuerlösch­en ausrücken würde.

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