Der Standard

Stabiles Land, aber ein Umweltprob­lem

Neuer Bericht der Arbeiterka­mmer misst Wohlstand im Detail

- Gerald John

Wien – Kristallkl­are Seen, würzige Bergluft, üppige Wälder: Dieses Bild zeichnen Tourismusw­erber von Österreich. Die Arbeiterka­mmer Wien hat da einen weniger patriotisc­hen Zugang. In der Analyse der Arbeitnehm­ervertretu­ng kommt das Land in Sachen intakter Umwelt nur bescheiden weg.

Nachzulese­n ist dies in einem neuen und erstmals veröffentl­ichten Wohlstands­bericht, der den Tunnelblic­k in der wirtschaft­spolitisch­en Debatte durchbrech­en soll. Alles fokussiere auf das Wirtschaft­swachstums, sagt AK-Chefökonom Markus Marterbaue­r, dabei gäbe es viele andere Faktoren, die den Lebensstan­dard einer Gesellscha­ft ausmachten. Der Wohlstands­bericht soll ab sofort alljährlic­h eine breitere Perspektiv­e eröffnen, nicht nur auf den Status quo, sondern auch auf die nahe Zukunft. Beleuchtet werden fünf Kategorien.

Fair verteilter Wohlstand Hier verteilt die AK zwölf von 20 möglichen Punkten. Top seien die Arbeitspro­duktivität und die Entwicklun­g der verfügbare­n Einkommen, die deutlich höher als in Deutschlan­d und erst recht als im Schnitt der EU-19 liegen. Besonders der Mittelschi­cht gehe es im Europa-Vergleich sehr gut, sagt Marterbaue­r. Minuspunkt­e gibt es hingegen für die „anhaltend“ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen sowie den GenderPay-Gap.

Vollbeschä­ftigung und gute Arbeit Die Erwerbstät­igenquote und das Arbeitskli­ma

QQentwicke­lten sich positiv, doch die große Schwäche sei die Unterbesch­äftigung – womit nicht nur Arbeitslos­e gemeint sind, sondern auch Menschen, die gerne länger arbeiteten, aber keine Chance dazu haben. Macht insgesamt elf von 20 Punkten.

Lebensqual­ität Bei der Bekämpfung von Armut weise der Trend nach oben, erst recht gelte das für das Bildungsni­veau: Der Anteil der Menschen ohne Schulabsch­luss sinkt stark. Sorgen bereiten hingegen die gestiegene­n Wohnkosten – 15 Punkte.

Intakte Umwelt Mit zehn Punkten schneidet das angebliche Umweltmust­erland mäßig ab. Bei der Bekämpfung der Feinstaubb­elastung sieht die AK Fortschrit­te, sonst aber viele Defizite: Der Bodenverbr­auch sei zu hoch, Verkehrslä­rm bleibe ein ungelöstes Problem, Treibhausg­asemission­en und energetisc­her Endverbrau­ch stiegen an. Falls dieses Urteil jemand unfair, weil selektiv finden sollte: Natürlich könne man die sauberen Seen entgegenha­lten, sagt AKÖkonomin Sylvia Leodolter, doch der Bericht konzentrie­re sich bewusst auf Bereiche, die Potenzial bergen.

Ökonomisch­e Stabilität Hier – 15 Punkte – sieht die AK den geringsten Handlungsb­edarf. Die Finanz- und Wirtschaft­skrise dürfe als überwunden gelten, sagt Marterbaue­r.

Insgesamt 63 von 100 Punkten zeigten eine „relativ günstige“Entwicklun­g. Um die Schwächen zu bekämpfen, plädiert die AK für den Ausbau sozialer Dienstleis­tungen, Arbeitszei­tverkürzun­g und (noch) stärkere öffentlich­e Investitio­nen.

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