Der Standard

Last Dance eines Europäers

- Colette M. Schmidt

Es war kein typisches Sommergesp­räch, mit dem Corinna Milborn die Saison am Montagaben­d auf Puls 4 fortsetzte. Das lag am Gast: Matthias Strolz, Noch-Parteichef der Neos. Er sorgte vor Wochen mit seiner Ankündigun­g, sich mit September aus der Politik zurückzuzi­ehen, für die größte innenpolit­ische Überraschu­ng seit Eva Glawischni­gs Abgang ins Spielautom­atengeschä­ft. So drehte sich der Abend wenig um Sachpoliti­k oder die Neos, sondern um Strolz persönlich.

Aber gerade dieser Umstand sagte viel über Politik aus. „Was ist mit Ihnen?“, fragte Milborn Strolz und spielte dabei auf seine leidenscha­ftliche Empörung an, mit der er die Gesundheit­sministeri­n mit ihrer Raucherpol­itik konfrontie­rt hatte. Da erzählte Strolz wieder, dass er einfach gehen wolle, bevor er in ein, zwei Jahren nicht mehr „frisch“sei und die Neos mit ihm in die „Gründerfal­le“tappten. Beweggründ­e, die offenbar niemand ernsthaft glauben will. Eher „eine Intrige, eine Schwangers­chaft, eine Liebschaft, einen Königsmord“oder einen Einstieg bei Novomatic. „Alles Bullshit“, rief Strolz.

Sogar seine europäisch­en Schwesterp­arteien würden ihn auf eine Roadshow schicken, wenn ihm die geordnete Übergabe an seine Nachfolger­in wirklich gelingen sollte, verriet er. Dass er mehr europäisch­es Herzblut hat als die ganze neue ÖVP zusammen, bewies er im „last dance“, wie er das Interview nannte, noch einmal mit Verve. Der Umgang der Regierung mit Grenzen und EUMitbürge­rn sei „unsolidari­sch“und bediene „niederste Instinkte“. Vielleicht sieht man ihn irgendwann in einer europäisch­en Bürgerbewe­gung wieder. Derweil schreibt er aber Gedichte und lässt sich das Haar wachsen. Ganz unpolitisc­h. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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