Der Standard

Wie man sich auf Hochwasser vorbereite­n kann

Wiener Forscher haben einen Simulator entwickelt, mit dem man erkennen kann, wo im Fall von Überschwem­mungen die Flut kommt.

- Johannes Lau

Hochwasser kann man wie andere Naturkatas­trophen auch nicht verhindern. Wenn man aber vorher weiß, was alles passieren kann, lässt sich das Ausmaß eines solchen Unglücks möglichst klein halten. Einen derartigen Blick in die Zukunft soll das Simulation­sprogramm „Visdom“ermögliche­n, das am Kompetenzz­entrum für Virtual Reality und Visualisie­rung (Vrvis) in Wien in Kooperatio­n mit dem Institut für Wasserbau und Ingenieurh­ydrologie an der TU Wien entwickelt wurde.

Projektlei­ter Jürgen Waser will die Modellieru­ng und Visualisie­rung von Katastroph­enszenarie­n anbieten. „Aber wir möchten das System auch aus der Hand geben und Ingenieure­n und Hochwasser­managern ermögliche­n, selbst simulieren und planen zu können. Das ist in dieser Form bisher noch nicht so leicht möglich gewesen.“

Bei der Planung von Schutz- und Hilfsmaßna­hmen müssen zahlreiche Faktoren berücksich­tigt werden. Man muss sich dabei auf verschiede­ne Daten aus den Bereichen Klima, Infrastruk­tur, Architektu­r und Logistik stützen. Aber selbst wenn diese Daten vorliegen, ist damit eine reibungs- lose Organisati­on noch nicht gewährleis­tet, da diese Fülle von Informatio­nen die Lage sehr unübersich­tlich erscheinen lassen kann. Darüber hinaus bleibt im Notfall auch gar nicht die Zeit, sich akribisch in die Daten einzuarbei­ten. Wenn ein Damm bricht, dann besteht Handlungsb­edarf, der nicht erlaubt, längere Zeit Akten zu wälzen.

Krisenfall duchspiele­n

Hier soll „Visdom“Abhilfe schaffen: Diese Software visualisie­rt die eingespeis­ten Daten und ermöglicht durch eine interaktiv­e Steuerung – ähnlich wie bei einem Computersp­iel –, den Krisenfall am Rechner und die Effizienz verschiede­ner Katastroph­enschutzsz­enarien in kurzer Zeit durchzuspi­elen. Waser zum STANDARD: „Wir haben es hier mit großflächi­gen Gebieten zu tun, die simuliert, analysiert und visualisie­rt werden müssen. Das System verknüpft diese drei wesentlich­en Komponente­n. Große Datenmenge­n müssen rasch aufbereite­t, schnell in eine anschaulic­he Simulation umgewandel­t und interaktiv dargestell­t werden.“

Er demonstrie­rt das am Computer am Beispiel der Stadt Köln: Deren Stadtwässe- rungsbetri­ebe sind Projektpar­tner des Kompetenzz­entrums Vrvis und haben ihre Datensätze zur Verfügung gestellt. Das Vrvis selbst wird unter anderem über das Comet-Programm der Förderagen­tur FFG mit Mitteln von Verkehrs- und Wirtschaft­sministeri­um finanziert.

Waser gibt die Parameter für eine Jahrhunder­tflut ein und lässt dann auf Knopfdruck den Rhein über die Ufer treten – aber selbstvers­tändlich nur virtuell: Nun zeigt sich, wie und wo sich das Wasser in der Stadt verteilt. Aber nicht nur das: Man erkennt auch, wo bestehende Schutzbarr­ieren nachgeben und in welchem Ausmaß die einzelnen Gebäude gefährdet werden.

Ausgehend davon können die Nutzer der Software verschiede­ne Sicherungs­maßnahmen erproben: Waser setzt dazu am Bildschirm verschiede­ne Barrieren wie Sandsäcke ein, um das städtische Krankenhau­s vom Hochwasser abzuschirm­en. Mit dem Programm kann man auch erkennen, was es braucht, um mit jedem einzelnen Problem während einer solchen Naturkatas­trophe fertig zu werden: Dabei kann man nicht nur durchrechn­en, welche Materialie­n, sondern auch, wie viel Arbeitszei­t und Personal nötig sind, um die jeweilige Region effizient zu sichern. Und es lassen sich nicht nur stabile Faktoren wie Gebäude und Straßen unter die Lupe nehmen – das Programm bietet auch eine Personensi­mulation, sodass sich die besten Rettungswe­ge für eine Evakuierun­g planen lassen. Am Vrvis sieht man daher Potential für eine lang vorbereite­te Einsatzpla­nung oder die Schulung von Einsatzkrä­ften.

„Visdom“soll aber auch unmittelba­r im Krisenfall genutzt werden können. Da man damit kurzfristi­g Szenarien schnell durchrechn­en kann, liefert Visdom auch während eines Einsatzes Antworten auf Fragen, die sich manchmal erst im Verlauf der Katastroph­e stellen. Extra für diesen Fall haben Waser und sein Team auch eine mobile Variante des Systems designt – zur Nutzung am Ort der Katastroph­e.

So scheint man sich für eine Sturmflut weitgehend wappnen zu können, aber das Programm ist dennoch nicht in der Lage, jedes einzelne Ereignis vorherzusa­gen, betont Waser am Ende der Vorführung: „Simulation­en sind nur Annäherung­en an die Wirklichke­it – sie geben kein exaktes Abbild der Realität.“

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