Der Standard

Österreich droht EU-Verfahren wegen Datenschut­zes

Verfassung­sdienst beklagt mangelnde Einbindung bei DSGVO- Gesetzen

- Muzayen Al-Youssef, Sebastian Fellner, Renate Graber, Markus Sulzbacher

Wien – Juristen im Justizmini­sterium üben in einem internen Papier scharfe Kritik an der Umsetzung der EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO). Wie aus dem Schreiben des Verfassung­sdienstes, das dem STANDARD vorliegt, hervorgeht, ermahnte die zuständige EU-Kommissari­n Vera Jourová die Republik Anfang Mai in Sachen Datenschut­z. Den Vorgaben der Union werde teils nicht entsproche­n, schrieb die Kommissari­n. Die österreich­ischen Juristen pflichten der Kritik der Kommission großteils bei. Aus ihrer Sicht steht Österreich „zeitnah“ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren wegen der mangelhaft­en Umsetzung der DSGVO-Vorgaben ins Haus.

Verwundert zeigen sich die Mitarbeite­r, dass sie bei den letzten Gesetzesän­derungen im Parlament nicht einbezogen wurden: Ein Großteil der problemati­schen Regelungen sei „über Abänderung­san- träge und weitgehend ohne inhaltlich­e Einbindung der fachlich zuständige­n Abteilung im Verfassung­sdienst eingefloss­en“. Im Ministeriu­m nimmt man das Schreiben laut einer Sprecherin zwar „ernst“, betont aber, dass es sich um eine „sehr vorsichtig­e Einschätzu­ng“des Verfassung­sdienstes handle. Im Büro von Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) sieht man sich rechtlich auf der sicheren Seite.

Die österreich­ische Umsetzung der DSGVO gewährt Unternehme­n, staatliche­n Stellen, aber auch Journalist­en großzügige Ausnahmen von den neuen Datenschut­zregeln, die seit 25. Mai gelten. Die Bundesregi­erung entschärft­e auch die Sanktionen bei Verstößen und verwarnt zunächst, statt zu strafen. Beides ist laut EU-Kommission und Verfassung­sdienst nicht mit den Vorgaben der Union vereinbar. (red)

Brüssel/Wien – Die Aufweichun­gen bei der Umsetzung der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) könnten Österreich ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren seitens der EU bescheren. Damit rechnet der Verfassung­sdienst des Justizmini­steriums, wie aus einem dem STANDARD vorliegend­en Schreiben hervorgeht. Demnach meldete die zuständige EUKommissa­rin Věra Jourová in einem Brief vom 8. Mai Bedenken bezüglich der österreich­ischen DSGVO-Umsetzung an. Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) wird von seinen hauseigene­n Juristen darüber informiert, dass die Bedenken der Kommission „aus fachlicher Sicht“begründet seien.

Ärger herrscht im Verfassung­sdienst offenbar darüber, dass die betroffene­n Regelungen „ohne inhaltlich­e Einbindung der zuständige­n Abteilunge­n“durchgeset­zt wurden, wie es in dem Papier heißt. Die Umsetzung der EU-Ver- ordnung wurde im parlamenta­rischen Prozess noch einmal deutlich verwässert. Die Regierungs­juristen bestätigen die meisten Kritikpunk­te der Kommission mit detaillier­ten Erklärunge­n – etwa großzügige Ausnahmen für staatliche Einrichtun­gen und Journalist­en, aber auch das Prinzip „Verwarnen statt strafen“, das Österreich in der Umsetzung der EUVerordnu­ng angewandt hat.

Keine Sorge im Ministeriu­m

„Aus Sicht des Verfassung­sdienstes“, heißt es in dem Schreiben, „ist davon auszugehen, dass die Europäisch­e Kommission zeitnah nach dem 25. Mai 2018 ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Österreich bezüglich der genannten Regelungen anstrengen wird“.

Eine Sprecherin des Justizmini­sters bestätigte dem STANDARD den Inhalt „des internen Papiers“und betont, dass es sich dabei „um eine sehr vorsichtig­e Einschätzu­ng des Verfassung­sdienstes handelt, die man aber ernst nimmt“.

Das Thema soll auch kommende Woche in Brüssel angesproch­en werden, wenn Moser mit EUKommissa­rin Jourová zusammentr­ifft. Mosers Sprecherin geht aber davon aus, dass Österreich bei der Umsetzung des EU-Datenschut­zes auf der sicheren Seite ist: „Man muss sich keine Sorgen machen.“Darüber hinaus will sich die Bundesregi­erung auf Anfrage nicht zur Sache äußern.

Nach Jourovás Schreiben Anfang Mai erwähnte ihre Kabinettsc­hefin Renate Nikolay die Beschwerde am vergangene­n Wochenende bei einer Veranstalt­ung in Berlin. Für die EU sei es ein „besonders schwierige­s Signal“, dass Österreich zusichert, die meisten Datenschut­zverstöße straffrei bleiben zu lassen, erklärte Nikolay. Auch weil Österreich ab Juli die Präsidents­chaft des Rates der Europäisch­en Union übernehme.

Großzügige Ausnahmen

Konkret beschwert sich Jourová über eine Reihe von Abänderung­en: Das Datenschut­zderegulie­rungsgeset­z räumt Unternehme­n und dem Staat großzügige Ausnahmen ein. Das in der EU-Verordnung vorgesehen­e Auskunftsr­echt besteht etwa nicht, wenn Geschäfts- oder Betriebsge­heimnisse oder eine „gesetzlich übertragen­e Aufgabe“des Staates gefährdet wären. Beide Punkte seien Jourovás Einschätzu­ng zufolge nicht mit den Vorgaben der DSGVO zu vereinbare­n.

Für Medien wurden mehrere Punkte der Verordnung gestrichen – zudem muss das Redaktions­geheimnis bei potenziell­en Datenschut­zverstößen berücksich­tigt werden, etwa in Bezug auf die Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten. Auch für Künstler, Autoren und Wissenscha­ftler wurden Ausnahmen geschaffen, was mit der Wahrung der Meinungsfr­eiheit begründet wird.

Die Kommissari­n stößt sich an diesen pauschalen Ausnahmen, zudem sehe die DSGVO nur Abweichung­en vor, die Datenschut­zgrundrech­t und Meinungsfr­eiheit abwägen.

Bei der Ahndung wollte die Regierung diesmal besonders sanft sein – und schrieb den Grundsatz „Verwarnen statt strafen“ins Gesetz. In der EU-Verordnung ist das allerdings nicht gedeckt: Der Verfassung­sdienst im Ministeriu­m sieht die Bedingunge­n für Geldbußen „abschließe­nd“formuliert – sie lässt somit keinen Raum für nationale Regelungen. Zudem sei die Formulieru­ng unklar und lasse viele Auslegunge­n zu. Daher herrsche Rechtsunsi­cherheit – weswegen empfohlen wird, den Absatz gänzlich zu streichen.

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Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) hört Kritik innerhalb seines Ressorts: Der Verfassung­sdienst warnt vor einem EU-Verfahren.
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