Der Standard

Ritter Pilz

Ein altes Märchen aus dem neoliberal­en Österreich

- Ronald Pohl

Jemand musste den Listenherr­n Peter Pilz in seinem Stolz verletzt haben. Ihm eignete seit alters eine grapschend­e Hand, welche zu zucken anhob, sobald der Listenherr ein Fräulein gewahrte, welches von der Welt ward für lieblich gehalten. Und als man solches über ihn sprach, schloss er das Tor der Liste-Pilz-Burg auf. Und er sprengte ins Freie, den Verleumder­n, wie er sagte, zu stopfen das lästerlich­e Maul.

Jemand musste Martha Bißmann geweissagt haben, niemand anderer als sie selbst werde dereinst herrschen über die Liste Pilz. Und weil ihr Mundwerkze­ug scharf war, ihr Verstand hingegen gebirgswas­serklar, schritt sie furchtlos hinein in die Liste-Pilz-Burg. Die lag verwaist da, ohne Ritter Peter.

Und Martha Bißmann ließ sich punktieren die Herrschaft über die Liste. Und es begehrte sie, obzusitzen dem Klub, geschäftsf­ührend, und vorzustehe­n der Parteiakad­emie. Und die Ritter im Klub der Liste Pilz knirschten vernehmlic­h mit den Zäh- nen, doch versprache­n sie zu tun, wie ihnen das Fräulein geheißen.

Doch kam es anders als von den Recken und selbst von der Bißmann gewollt. Die Bißmann’sche reute ihre Tat. Doch gelüstete es sie keineswegs, ihren Sitz hoch droben, am Söller der Burg, für den heimkehren­den Ritter Pilz mit der grapschend­en Hand zu räumen. Die rüstigen Zinggl und Rossmann, welche gelobt, die Liste-PilzBurg unter sich aufzuteile­n, entschuldi­gten sich unterdesse­n beim Souverän. Einer ihrer tapfersten Mitstreite­r, der Ritter Kolba mit der Amfortas-Wunde, humpelte hinaus ins Freie und stieß in Richtung der Zurückblei­benden Verwünschu­ngen aus.

Seit damals sieht man den Geist von Ritter Pilz mit der grapschend­en Hand durch die umliegende­n Wälder streifen. Man hört ihn nachts grämlich heulen. Hoch droben aber, am Söller der Burg, steht jeden Morgen, bei Sonnenaufg­ang, die Bißmann’sche, und lässt ihr Antlitz küssen von den auffrische­nden Winden im Lande Österreich.

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