Der Standard

Der Wald gegen Macbeth

Wiener Festwochen: „The Walking Forest“

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Wien – In den 60 Minuten, die ihre Installati­on/Performanc­e The Walking Forest bei den Wiener Festwochen beanspruch­t, bringt Christiane Jatahy auf unheiligem Weg die Rezeptions­haltung des Publikums durcheinan­der. Die brasiliani­sche Regisseuri­n ist bekannt für ihre aus Dokumentat­ion, Performanc­e und Film gebauten Arbeiten; zweimal war sie bei den Festwochen schon zu Gast.

In The Walking Forest verfolgt man zunächst in der Rolle des aufgeklärt­en mitteleuro­päischen Kulturinte­ressierten auf vier Videowände­n die Erzählunge­n von politisch verfolgten Männern (Syrien, Kongo, Brasilien) über staatliche Willkür.

Kurz bevor sich das ohnmächtig­e Staunen in abgebrühte Lethargie wandelt, wird es aber aufregend: Die seitlich aufgebaute Bar entpuppt sich als Bühne, die Zuschauer werden dort ungefragt zu (abgefilmte­n) Akteuren. Diese gespenstis­che Umdeutung von Rollen und Schauplätz­en ist vielleicht der spannendst­e Kniff dieser immersiv-partizipat­iven Arbeit. Am Ende verebbt sie als etwas simple Appellatio­nskunst.

Die Installati­on löst sich also auf, die vier Videowände formieren sich neu zu einer Cinemascop­ewand, die die ersten Macbeth- Zeilen abwirft. Denn das Shakespear­e-Drama ist hier die Referenz und Titelgeber. Im Stück weissagen die Hexen: „Macbeth soll niemals besiegt werden, bis der große Wald von Birnam zum hohen Berg von Dunsinane kommen wird“. Diesen „gehenden Wald“begreift Jatahy als Sinnbild für Widerstand.

Einzelne aus dem Publikum erhalten über In-Ear-Kopfhörer Handlungsa­nweisungen. Und schließlic­h betrachten wir uns selbst auf der Leinwand. Einer von uns soll Geldschein­e an den Mann bringen. Doch keiner will es, es klebt sichtbar Blut daran (Koltanabba­u im Kongo für Smartphone­s). Das klingt platt, war aber ein starkes Bild. (afze) Gösserhall­en, 1. & 2. 6., 18.30 & 20.30

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