Ein Steak aus Israel für Veganer
Israelische Forscher arbeiten daran, echtes Fleisch im Labor zu züchten. Mehrere Start-ups wollen das Produkt in den kommenden Jahren auf den Markt bringen. Und selbst die Fleischindustrie investiert.
Didier Toubia hat nicht weniger vor als eine Revolution: Der israelische Unternehmer mit französischen Wurzeln will im Labor entwickeltes Fleisch für die Massen auf den Markt bringen – und zwar nicht nur wabbeliges Hackfleisch aus Muskelgewebe und Fett, sondern ein dreidimensionales Steak, mit Bindegewebe und Blutgefäßen, als käme es von einem echten Rind. „Unseres Wissen sind wir die Ersten, die es mittlerweile geschafft haben, diese vier Zelltypen im Labor zu produzieren und damit ein Stück Fleisch, das dieselbe DNA und denselben Nährwert hat wie das Fleisch eines geschlachteten Tieres“, sagt Toubia. Er ist Geschäftsführer des Start-ups Aleph Farms, das im vergangenen Jahr gegründet wurde – ein gemeinsames Projekt des Israelischen Instituts für Technologie (Technion) sowie des Food-Tech-Inkubators The Kitchen, der zur Strauss-Gruppe, einem israelischen Lebensmittelhersteller, gehört.
Für die Herstellung werden einem Rind Stammzellen entnommen, die dann im Labor vermehrt werden. Das klingt simpel, ist aber höchst kompliziert und derzeit auch noch ziemlich teuer. Erst in zwei bis drei Jahren soll daraus ein Produkt werden, das zunächst in einigen noblen Restaurants, später auch in den Supermarktregalen zu finden sein wird, erklärt Toubia. „Dafür wird es dann in einer Art Tank kultiviert, ähnlich wie beim Bierbrauen.“
Aleph Farm ist nicht das einzige Start-up dieser Art in Israel: Mindestens zwei weitere wollen „clean meat“, wie das im Labor kultivierte Fleisch auch genannt wird, in den kommenden Jahren auf den Markt bringen: Supermeat beispielsweise hat sich auf Hühnerfleisch spezialisiert – und sich bereits die finanzielle Unterstützung des deutschen Geflügelfleischunternehmens PHW gesichert, zu dem unter andrem Wiesenhof gehört. PHW soll nach Angaben von Supermeat auch bei der Herstellung und der Vermarktung helfen.
Tier- und umweltfreundlicher
Israel ist damit einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Erforschung und Entwicklung von Laborfleisch, zusammen mit den USA und Holland, wo Mark Post von der Uni Maastricht vor einigen Jahren als Erster Fleisch im Labor entwickelte. Sie alle haben das gleiche Ziel: eine Alternative zu herkömmlichem Fleisch, das weder tier- noch umweltfreundlich hergestellt wird.
„Clean Meat ist eine ethische Lösung. Tierschlachtung gehört bald der Vergangenheit an“, erklärt Joel Cohen, Sprecher der israelischen Non-Profit-Organisation The Modern Agriculture Foundation, die nicht nur selbst zum Thema forscht, sondern das Thema seit 2015 auch an die Öffentlichkeit bringt und im vergangenen Jahr die Clean Meat Conference am Technion in Haifa veranstaltet hat. „Für die Herstellung von einem Kilogramm Rinderfleisch werden 10.000 Liter Wasser benötigt. Und für den Anbau von Tierfutter und die Unterbringung der Tiere werden im Sekundentakt Regenwälder vernichtet“, so Cohen. Bei der Herstellung von Laborfleisch, so versprechen Entwickler, soll weniger Platz, Wasser und Energie verbraucht werden, auch der Ausstoß von Treibhausgasen soll verringert werden.
Doch wie umweltfreundlich das Laborfleisch tatsächlich ist, hängt von den Produktionsprozessen ab, die derzeit größtenteils noch gar nicht entwickelt sind, erklärt die finnische Forscherin Hanna Tuomisto von der Universität Helsinki, die zunächst in Oxford zum Einfluss der Nahrungsmittelherstellung auf die Umwelt geforscht hat. „Der Wasserverbrauch hängt ganz vom Herstellungsdesign ab. Das Gute ist: Es kann gereinigt und wiederverwendet werden“, so Tuomisto. Der Ausstoß von Treibhausgasen, der bei der herkömmlichen Fleischproduktion enorm ist, könnte ebenfalls reduziert werden. „15 Prozent der weltweiten Treibhausgase entstehen in Viehbeständen, das ist mehr als der Transportsektor, der 13 Prozent ausmacht“, so Tuomisto. Wichtig wäre allerdings, dass für die Herstellung von Laborfleisch keine fossilen Brennstoffe verwendet werden.
Weniger Landverbrauch
„Außerdem sieht es danach aus, dass die Clean-Meat-Produktion weniger Land beanspruchen wird“, so Tuomisto. Das käme den Regenwäldern zugute. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass auch Zellen im Labor ernährt werden müssen, damit sie sich vermehren können. Hierfür müsste eventuell Mais angebaut werden, sagt Tuomisto. Wahrscheinlich brauchen die Zellen aber weniger Kohlenhydrate. Denn lebende Tiere brauchen die Energie schließlich für Körperteile, die nicht für den Verzehr genutzt werden, oder um sich warm zu halten.“
Vor allem Israel könnte für die Hersteller ein spannender Markt sein: Denn einerseits ist Israel beim Fleischverzehr weltweit ganz vorne mit dabei: Beim Hühnchenverzehr sind sie Spitzenreiter, zählt man alle Fleischarten zusammen, liegt Israel auf Platz vier. Gleichzeitig gibt es kaum anderswo so viele Menschen, die sich fleischlos ernähren: Rund fünf Prozent leben hier vegan, acht bis zehn Prozent vegetarisch.