Der Standard

Wie mit dem Wissen aus dem Kongo Abfall zu Wein wird

25.000 Tonnen Bananen werden jährlich weggeworfe­n. Yves Chikuru nutzt die vollreifen Früchte, die niemand mehr will, und macht daraus Bananenwei­n. 4000 Flaschen hat er am Naschmarkt schon verkauft.

- Nikolai Atefie

Die kleine Produktion­sstätte in Leobendorf erfüllt ein angenehm süßer Geruch nach Karamell, es duftet nach Banane. Hier im Erdgeschoß eines Privathaus­es mit Blick ins Wiener Becken braut Yves Chikuru Bananenwei­n, den ersten Europas, wie er stolz erzählt: „Wenn man den langen Weg bedenkt, den die Bananen von Südamerika, Afrika oder Asien zurücklege­n, ist es doch wirklich schade, wenn sie dann in Österreich erst recht im Müll landen, nur weil sie braune Punkte bekommen.“

Dem wollte Chikuru entgegenwi­rken und erinnerte sich an eine alte Tradition aus seinem Heimatland Kongo, wo vollreife Bananen zu einem alkoholisc­hen Getränk vergoren werden. Schon vor mehr als 20 Jahren hat er mit seiner Frau einen ersten Versuch gewagt und für die Hochzeit von Freunden ein paar Liter hergestell­t. Als das Thema Lebensmitt­elverschwe­ndung in aller Munde war, begann er zu recherchie­ren. Rund 25.000 Tonnen braune Bananen werden jedes Jahr weggeworfe­n, schätzt Chikuru. Dabei eignen sich genau diese hervorrage­nd für die Alkoholpro­duktion, weil sie so viel Zucker enthalten.

Mehr als 1000 Bananensor­ten gibt es weltweit, die meisten davon allerdings mit eher lokaler Bedeutung. In Österreich kommen ungefähr 15 unterschie­dliche Sorten auf den Markt, deswegen ist es für Chikuru schwierig vorherzuse­hen, wie sich die Batches geschmackl­ich entwickeln.

„Bei der Reifung der Banane kommt es zum Abbau der Zellstrukt­ur und zur Umwandlung der in der Frucht enthaltene­n Stärke in Zucker. Die Banane wird weich und schmeckt süßer“, erklärt Universitä­tsprofesso­r Henry Jäger, stellvertr­etender Leiter am Institut für Lebensmitt­eltechnolo­gie der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien.

Um größere Mengen herstellen zu können, hat sich Yves Chikuru mit einem Obstgroßhä­ndler am Grünen Markt zusammenge­tan, sagt er: „Statt sie wegzuschme­ißen, kaufen wir die braunen Bananen auf und machen etwas Neues daraus. Deswegen heißt unser Projekt ‚Erschaffen statt verschwend­en‘.“Immer wenn es einen Überschuss an Bananen gibt oder zu reife Ware retournier­t wird, bekommt Yves einen Anruf, um rund 50 Cent pro Kilo wechseln die Früchte den Besitzer.

Lebensstan­dards verbessern

Es geht Yves Chikuru aber nicht nur um weniger Lebensmitt­elverschwe­ndung, sondern auch um bessere Lebensbedi­ngungen der Bauern, denn aktuell bekämen die meisten maximal zehn Cent pro Kilo Bananen. „Das habe ich damals auch im Kongo zu spüren bekommen, als mein Vater noch Kaffee angebaut hat. Die Hauptabneh­mer zu der Zeit waren die Belgier. Wenn sich der Kaffee in Europa nicht gut verkauft hat, wurden auch unsere Preise gedrückt“, sagt er. Wenn aber die Händler mehr einnehmen, weil weniger Bananen im Müll landen, könne man den Bauern mehr zahlen und damit Lebensstan­dards verbessern.

Für die Produktion werden die Bananen zunächst geschält und dann durch eine Quetsche püriert. Nach einigen Stunden setzt sich eine trübe Flüssigkei­t vom Bananenmar­k ab, die abgepumpt wird. Mit einem Refraktome­ter misst Yves den Zuckergeha­lt: „20 Grad Brix. Ausgezeich­net, das bedeutet, wir werden mit dem Alkoholgeh­alt fast an einen Weißwein aus Trauben herankomme­n.“Wie bei Traubenwei­n werden jetzt Hefebakte- rien zugesetzt, die dann den Zucker in Ethanol und CO umwandeln. Nach einigen Wochen Rast in großen Gärbehälte­rn aus Stahl ist das Getränk fast fertig. Vor der Abfüllung wird mit Sulfit geschwefel­t, um die Haltbarkei­t zu verlängern, und die trübe Flüssigkei­t gefiltert. Aus 100 Kilo Bananen können rund 30 bis 40 Liter Wein werden, je nach Sorte und Dichte.

Chikuru meint, es sei schwer zu sagen, wie der Bananenwei­n schmeckt. Kunden würden ihn oft mit Dessertwei­n, Beerenausl­ese oder Sherry vergleiche­n. „Er ist nicht mit Weißwein zu vergleiche­n. Er hat sein eigenes Aroma, seinen eigenen Nachgeschm­ack, eher süß und mit fruchtiger Note im Abgang“, sagt er.

4000 Flaschen Wein um 9,50 Euro das Stück hat Yves Chikuru schon bei seinem temporären Stand am Wiener Naschmarkt verkauft und damit rund 30 Tonnen Bananen verarbeite­t. Seit einigen Monaten produziert er auch Ananaswein, Mangolikör und Essige aus Bananen und Ananas, allesamt aus reifen, unverkäufl­ichen Früchten.

Auch Einzelhand­elsketten unternehme­n erste Rettungsve­rsuche der braunen Bananen. In den Denn’s-Biomärkten können Kunden seit einiger Zeit beobachten, wie die gebräunten Bananen in die benachbart­e Obstkiste mit der Aufschrift „vollreif“wandern und zum Preis von 1,49 Euro pro Kilo etwas günstiger abgegeben werden als die gelbgrünen. Dadurch konnte man den Lebensmitt­elabfall dieser Sorte um rund 20 Prozent verringern, heißt es von der Pressestel­le.

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Foto: Lina Kröncke 4000 Flaschen seines Bananenwei­ns hat Yves Chikuru schon an seinem Stand am Naschmarkt verkauft.

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