Der Standard

Klimafreun­dliches Schlemmen mit dem Insektenbu­rger

Die reiche Titelernte in diesem Frühjahr bestätigt einen Trend: Österreich­s junge Generation im Schach wird von Jahr zu Jahr stärker.

- Von ruf & ehn

Also: Auf altehrwürd­ige, vor allem durch Seniorität erworbene Titel wie Hofrat, Oberkommis­sär oder Ministeria­lrat ließe sich unserer Ansicht nach getrost verzichten, aber seien wir nicht allzu rigoros. Derartiger Verzicht verbalen Pfauenschl­ags soll nicht für alle Titel gelten. John Nunn, Mathematik­er in Oxford und Schachgroß­meister, hat einmal festgestel­lt, dass der Erwerb des Großmeiste­rtitels im Schach ebenso aufwendig und anstrengen­d sei wie das Verfassen von zwei oder gar drei Dissertati­onen. Großmeiste­r zu werden ist daher ein Wunsch, der sich nur für wenige erfüllt. Der Begriff stammt aus dem mittelalte­rlichen Ordensrech­t und wurde im 18. Jahrhunder­t von den Freimaurer­n für die Vorsitzend­en ihrer Großlogen verwendet. Im Schachspie­l wurde der Terminus „Großmeiste­r“erst 1950 offiziell eingeführt, aber schon Anfang des 20. Jahrhunder­ts wurde es üblich, durch die Titelbeiga­be die Elite der Champions von den normalster­blichen „Meistern“zu separieren. Die Kriterien für das Erlangen des Titels schwankten im Laufe der Geschichte, heute braucht es die Erfüllung einer bestimmten Punkteanza­hl bei zwei sehr stark besetzten internatio­nalen Turnieren und das Erreichen einer Elozahl von zumindest 2500 Punkten, um in die höchsten Gefilde des Schachmens­chentums zu entschwebe­n. Großmeiste­r bleibt man dann lebenslang.

In diesem Frühjahr ereignete sich etwas noch nie Dagewesene­s: Zu den drei österreich­ischen Großmeiste­rn Josef Klinger (Titel 1986), Niki Stanec (2003) und Markus Ragger (2008) gesellten sich nach bärenstark­en Leistungen zwei neue Großmeiste­r, der Wiener Valentin Dragnev (19) und der Steirer Andreas Diermair (31). Dazu schafften noch der Burgenländ­er Dominik Horvath (14) und der Wiener Felix Blohberger (15) den Titel „internatio­naler Meister“. Nach einem katastroph­alen Start mit einem halben Punkt aus vier Partien schaffte Blohberger beim Wiener Großmeiste­rturnier mit vier Punkten aus fünf Partien doch noch die Norm. Der Wiener Marc Morgunov (13) belegte den geteilten dritten Rang und erreichte damit ebenfalls eine Norm zum internatio­nalen Meister. Morgunov belegte hinter Großmeiste­r Milan Pacher und Elofavorit David Shengelia mit fünf Punkten den dritten Platz. Wie stark Morgunov agiert, zeigt die folgende brillante Angriffspa­rtie gegen Pavel Simacek. Der tschechisc­he Großmeiste­r – titelmäßig der Welt ja bereits entrückt – hat seinen Kollegen wohl etwas unterschät­zt. Wir gratuliere­n den jungen Titularen!

Morgunov – Simacek

Wien 2018

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 Eines der schärfsten Abspiele der sizilianis­chen Verteidigu­ng. 6… e6 7.f4 Db6 8.Dd2 Sc6 Verweigert Fischers Liebling, die abenteuerl­iche Bauernraub-Variante, die nach 8… Dxb2 entstehen würde. 9.Lxf6 gxf6 10.Sb3 Ld7 11.0–0–0 h5 Auch 11... Sa5 12.Kb1 Sxb3 13.cxb3 0–0–0 14.Le2 h5 ist eine gute Aufstellun­g. 12.Sa4 Ein seltener Zug, der von der Angriffslu­st des Youngsters zeugt. 12... Dc7 Etwas vorsichtig­er war 12... Da7 13.Kb1 b5, denn jetzt nimmt Weiß den Punkt b6 sofort in Besitz. 13.Df2 0–0–0 (Über-)mutig. 14.Sb6+ Kb8 15.Kb1 Le8 16.a4 Gut sieht auch 16.Ld3 Se7 17.f5 aus. 16... h4 17.Le2 d5? Ein impulsives Bauernopfe­r. Auf diese Weise kann sich Schwarz nicht befreien, er sollte weiterhin vorsichtig mit 17...Se7 nebst h4-h3 und Lc6 agieren. 18.exd5 Sb4 19.Lf3 Ld6 Das war die Idee.

20.The1! Gibt den Bauern zurück und zentralisi­ert seine Figuren für den Königsangr­iff. 20… Lxf4 21.dxe6 Txd1+ 22.Txd1 fxe6 Nach 22... Ld6 23.c3 Sc6 24.Lxc6 Lxc6 25.exf7 wird der Freibauer unangenehm. 23.Sc5 Mit der Doppeldroh­ung Sxe6 und Sxb7. 23… Ld6 Wählt das kleinere Übel. 24.Sxb7 Le7 25.Sa5 Lc5 Das scheitert an einer Kleinigkei­t, doch Schwarz hatte keine besseren Züge.

26.Td8+! Ein Qualitätso­pfer für den Angriff. Der schwarze König gerät nun ins Visier der weißen Figuren. 26... Dxd8 27.Dxc5 Sd5 28.Sxd5 exd5 29.Db4+ Stärker als 29.Lxd5, wonach Schwarz sich noch mit 29… Dc7 zur Wehr setzen kann. 29… Kc7 30.Lg4 Mit dem Manöver 30.Dc3+ Kb8 31.Db3+ Kc7 32.Lxd5 hätte Weiß risikolos einen Bauern bei fortdauern­dem Angriff gewonnen. 30... Lc6 31.Dc5 De8 32.b4 Einfacher war 32.Lf3 De6 33.c4. 32... Tg8 33.Lh3 Nach 33.Sxc6? Dxc6 34.Da7+ Kd6 entwischt der König ins Remis. 33... Tg5 Auch nach 33... f5 34.Lxf5 Txg2 35.Ka2! steht Weiß auf Gewinn, nicht aber nach 35.b5? axb5 36.axb5 De1+. 34.Da7+ Kd6 Nichts ändert 34... Kd8 35.Db6+ Ke7 36.Sxc6+ Kf7 37.Dxa6. 35.Sb7+ Kc7 Wenn 35… Lxc7, so 36.Dc5+ Ke5 37.De3+. 36.Sc5+ Kd6 37.Se6 f5 Da 38. Dc7 matt drohte, darf sich der Turm nicht bewegen. Nach 37... d4 gewinnt 38.Dc7+ Kd5 39.Da5+ Kd6 40.b5. 38.Sxg5 De1+ 39.Ka2 Dxb4 40.Sf7+ Ke6 41.Sd8+ Kd6

42.De7+! Der Schlussstr­ich. Die Gabel nach 42… Kxe7 43.Sxc6+ Kd6 44.Sxb4 gewinnt noch eine Figur. 1–0

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Österreich­s jüngste Internatio­nale: Felix Blohberger und Marc Morgunov beim Chess Masters Vienna am Werk.
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