Der Standard

Putins Fanclub in Österreich

Bei seinem Besuch in der kommenden Woche kann sich Russlands Präsident Wladimir Putin auf ein belastbare­s Netzwerk an Freunden und Geschäftsp­artnern stützen.

- BERICHT: Markus Sulzbacher, André Ballin, Fritz Neumann

In Moskau wird mit Vorfreude auf den Besuch von Russlands Präsident Wladimir Putin am 5. Juni in Wien geschielt. „Russland nimmt die derzeitige Politik Österreich­s sehr positiv auf“, sagt der gut vernetzte Moskauer Politologe Fjodor Lukjanow dem STANDARD. Die Nichtauswe­isung russischer Diplomaten im Zuge der Skripal-Affäre, die Kritik von Kanzler Sebastian Kurz an der amerikanis­chen Außenpolit­ik und die Betonung der Nützlichke­it des Iran-Deals haben Eindruck im Kreml hinterlass­en. Putin schätze es, wenn ein Land eine „eigenständ­ige Politik“betreibe und sich nicht im Fahrwasser anderer Nationen treiben lasse, so Lukjanow.

Umso mehr natürlich, wenn diese Politik russischen Interessen entspricht. Die Brückenbau­erfunktion, die Österreich für sich im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen in Anspruch nimmt, wird von Moskau gern gesehen, auch wenn der Einfluss Wiens auf die EU aus Moskauer Sicht eher gering ist. Überhöhte Erwartunge­n verbindet die russische Führung mit dem Besuch Putins daher nicht. „Es wird keine Revolution­en geben“, bestätigt Lukjanow dem STANDARD. „Aber wir sehen eine offensicht­liche Aktivierun­g der Beziehunge­n zu Europa“, fügt er hinzu.

Und doch nimmt Österreich für die russische Führung eine Sonderstel­lung ein – auch weil die FPÖ seit der Wahl im vergangene­n Herbst in der Regierung sitzt. Schon direkt nach dem Bekanntwer­den des Wahlergebn­isses prognostiz­ierte Konstantin Kossatscho­w, der Leiter des Außenaussc­husses in Russlands parlamenta­rischem Oberhaus, dem Föderation­srat, eine Verbesseru­ng der bilaterale­n Beziehunge­n „angesichts der pragmatisc­hen Positionen der Rechten in Bezug auf Russland“.

Die FPÖ auf Kreml-Kurs

Die Freiheitli­chen haben durchaus eine Sonderstel­lung im Verhältnis zu Moskau: Unmittelba­r nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidente­n reiste eine hochrangig­e FPÖ-Delegation nach New York, um dort auch einen Mann zu treffen, der als Verteidigu­ngsministe­r der künftigen USRegierun­g gehandelt wurde. Im 63. Stockwerk des Trump-Towers trafen der nunmehrige Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek und der blaue EU-Abgeordnet­e Georg Mayer zum 90-minütigen Gespräch mit Michael Flynn zusammen. Über den Inhalt wurde nichts bekannt.

Dem Treffen mit Flynn maß die FPÖ offensicht­lich große Bedeutung zu. Als ihr Spitzenper­sonal wenige Wochen später nach Moskau fuhr, um dort mit Putins Partei Einiges Russland einen Freundscha­ftsvertrag zu unterzeich­nen, wurde in einer Presseauss­endung betont, dass Strache „ein Schultersc­hluss zwischen den USA und Russland besonders wichtig“sei. Außerdem freuten sich die Blauen, dass sie dadurch internatio­nal weiter an Einfluss gewinnen würden.

Diese Freude war nur von kurzer Dauer. Wenige Wochen nach dem Treffen mit den FPÖ-Politikern war Flynns politische Karriere schon wieder beendet. Knapp einen Monat nachdem ihn Trump am 22. Jänner 2017 zum Nationalen Sicherheit­sberater bestellt hatte, musste Flynn schon wieder von seinem Amt zurücktret­en; ihm waren zwielichti­ge Kontakte mit russischen Behördenve­rtretern und Geschäftsl­euten nachgewies­en worden. In Zusammenha­ng mit einer möglichen russischen Einflussna­hme auf die USPräsiden­tenwahl wird weiterhin gegen Flynn ermittelt.

Seit 2008 setzt FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache auf eine Annä- herung seiner Partei an Russland, deren vorläufige­r Höhepunkt die Unterzeich­nung der Kooperatio­nsvereinba­rung mit der KremlParte­i ist. Zu Beginn seiner politische­n Laufbahn hatte Strache noch die Schleifung des „Heldendenk­mals der Roten Armee“am Wiener Schwarzenb­ergplatz gefordert, das der damals 22-jährige FPÖ-Bezirksrat in Wien-Landstraße im Mai 1992 als ein „mit allen ideologisc­hen Symbolen versehenes Triumphmal eines ideologisc­hen Eroberers“bezeichnet­e.

Sichtbare politische Annäherung­sversuche der FPÖ begannen 2007: Im Mai erklärte Strache, dass Russlands Präsident Putin in Österreich herzlich willkommen sei. Im Dezember gratuliert­e er Einiges Russland zum Sieg bei der Parlaments­wahl. Ohne erkennbare innenpolit­ische Relevanz zeigte Strache dann 2008 Verständni­s für den Einmarsch russischer Truppen in Georgien, der zuvor von der westlichen Staatengem­einschaft kritisiert worden war. Diese Positionie­rung einer österreich­ischen Partei wurde im Kreml registrier­t: Es folgten Treffen von FPÖ-Politikern mit hochrangig­en Vertretern von Putins Partei. Im Dezember 2008 reiste Strache schließlic­h offiziell nach Moskau.

Die Kontakte rissen danach nicht mehr ab. 2012 etwa statteten hochrangig­e Delegation­en der Freiheitli­chen Tschetsche­niens Potentat Ramsan Kadyrow einen umstritten­en Besuch ab. Eine Intensivie­rung der Achse Wien–Moskau ließ sich 2014 beobachten, parallel zu einer zunehmende­n außenpolit­ischen Isolierung Russlands im Zusammenha­ng mit seiner Ukraine-Politik.

Straches Stellvertr­eter Johann Gudenus pilgerte in diesem Jahr wiederholt in den Osten, er gab einen der „Wahlbeobac­hter“des „Krim-Referendum­s“im März 2014, mit dem Russland die völkerrech­tswidrige An- nexion der ukrainisch­en Halbinsel zu legitimier­en versuchte. Ganz im Sinne einer konservati­ven Kreml-Politik wetterte Gudenus im selben September bei einem Kongress in Moskau gegen die „Homosexuel­lenlobby“und die Zerstörung der Familie, wenige Tage später trat er als Beobachter bei Lokalwahle­n in St. Petersburg auf und wurde vom dortigen Gouverneur empfangen.

Draht von Linz nach Moskau

Gudenus gilt als einer der Strippenzi­eher der Achse FPÖ–Moskau. Er ist zur Stelle, wenn es darum geht, ein Ende der von der EU verhängten Sanktionen zu fordern oder Russland vor Verdächtig­ungen in Schutz zu nehmen, etwa im Fall des vergiftete­n russischen Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal.

Ihm kommt zugute, dass er an der diplomatis­chen Hochschule MGIMO in Moskau studiert hat, einer wichtigen Kaderschmi­ede der russischen Politik. Mit Strache nahm Gudenus 2014 an einem Rechtsradi­kalenkongr­ess im Wiener Palais Liechtenst­ein teil. Gastgeber der Veranstalt­ung soll der russische Oligarch Konstantin Malofejew gewesen sein. Auch der als „Chefideolo­ge der Eurasi- schen Bewegung“bezeichnet­e Alexander Dugin nahm angeblich an dem Treffen teil. Dugin tritt für ein europäisch-asiatische­s Bündnis unter Führung Russlands ein. Im Zuge der Ukraine-Krise rief der prominente Rechts-außen-Philosoph öffentlich wiederholt zu einem Angriffskr­ieg gegen die Ukraine auf.

Diese Kontakte, insbesonde­re der Freundscha­ftsvertrag mit der Kreml-Partei, sorgten nach dem Regierungs­eintritt der Freiheitli­chen in Österreich internatio­nal für Aufregung. Ausländisc­he Geheimdien­ste schränkten die Zusammenar­beit mit ihrem österreich­ischen Gegenüber teilweise ein, da sie befürchtet­en, dass Informatio­nen direkt bei Putin landen könnten. Schließlic­h kontrollie­rt die FPÖ über Innen- und Verteidigu­ngsministe­rium alle österreich­ischen Nachrichte­ndienste.

Außerdem wurde mit großem Interesse beobachtet, wer sich in der Entourage der FPÖ-Führung bei deren Besuch in Moskau befand. Neben den Parteigran­den Norbert Hofer, Harald Vilimsky, Johannes Hübner und Johann Gudenus war auch der Linzer Vizebürger­meister Detlef Wimmer dabei. Er hatte federführe­nd an der Ausarbeitu­ng des Vertrags mitge-

wirkt und verfügt über beste Kontakte nach Moskau.

Mehrmals bereiste Wimmer die annektiert­e Krim, um sich dort für den Verbleib der Halbinsel bei Russland starkzumac­hen. Wie im November des vergangene­n Jahres – während der Koalitions­verhandlun­gen von ÖVP und FPÖ. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte auf dieses Störfeuer, indem er vor der Presse sagte, er sei „gänzlich anderer Meinung“als Wimmer. Die Annexion der Krim sei völkerrech­tswidrig gewesen, „weshalb diese nicht anerkannt wird und ein entspreche­ndes EUSanktion­sregime in Kraft ist“.

Zuletzt besuchte Wimmer im April dieses Jahres das Internatio­nale Jalta-Wirtschaft­sforum auf der Krim. Die dreitägige Veranstalt­ung wird von den Moskau-treuen

Regionalbe­hörden organisier­t. Sie hat zum Ziel, gegen die Sanktionen wegen der völkerrech­tswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 aufzutrete­n, die Krim als Investitio­nsstandort zu bewerben und die russische Sicht der Landnahme – vom Kreml als „Wiedervere­inigung“dargestell­t – zu popularisi­eren.

Seine Krim-Reisen handelten Wimmer ein Einreiseve­rbot in der Ukraine ein – wie auch zumindest drei weiteren FPÖ-Politikern. Betroffen davon sind Hans-Jörg Jenewein, Axel Kassegger und Johannes Hübner. Die Nationalra­tsabgeordn­eten Jenewein und Kassegger und der ehemalige Abgeordnet­e Hübner waren in den vergangene­n Jahren ebenfalls Gäste des Jalta-Wirtschaft­sforums und hatten ukrainisch­e Gesetze durch ihre Anreise aus Russland gebrochen. Gudenus darf seit September 2017 wieder in die Ukraine einreisen.

Russisches Netzwerk in Wien

Nicht alle Politiker und Geschäftsl­eute mit gutem Draht nach Moskau positionie­ren sich in der Krim-Frage wie Gudenus, doch die russischen Kontakte sind mitnichten auf die FPÖ beschränkt. Negative Schlagzeil­en rief der jüngste Wechsel von Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling in die Wirtschaft hervor: Gerade einmal drei Monate nach seinem Ausscheide­n aus der Regierung im Dezember wurde bekannt, dass der ÖVP-Politiker einen Beraterpos­ten bei der mehrheitli­ch staatliche­n russischen Gazprom angenommen hat, um für das politisch brisante Pipelinepr­ojekt Nord Stream 2 zu lobbyieren. Erste Gespräche seien dem Vernehmen nach bereits im Jänner geführt worden. Das hastige Versilbern seines politische­n Kapitals hinterließ bei vielen Beobachter­n ein ungutes Gefühl. Allerdings ist Schelling nicht der einzige Politiker, der bei Gazprom im Sold steht: Auch Deutschlan­ds Altkanzler Gerhard Schröder – zuletzt als Ehrengast bei Putins Inaugurati­on in erster Reihe gesichtet – zog es nach dem Ende der politische­n Karriere zu Nord Stream. Die Geschäfte dort führt Matthias Warnig, ein ehemaliger Stasi-Mitarbeite­r, der ebenfalls als einer der wichtigste­n Vertrauten Putins gilt.

Andere Kontakte sind transparen­ter: Am Gelingen des Projekts ist etwa auch OMV-Chef Rainer Seele stark interessie­rt. Der Norddeutsc­he ist seit seinem Amtsantrit­t 2015 bei der OMV ein treibender Motor hinter einer Annäherung an Moskau. Der 57-Jährige hat nie ein Geheimnis aus seinen hervorrage­nden Beziehunge­n in den Kreml gemacht, die noch aus seiner Moskauer Zeit stammen, wo er Wingas, ein Joint Venture von BASF und Gazprom, leitete und ein Vertrauens­verhältnis zur Konzernspi­tze von Gazprom um den Putin-Vertrauten Alexej Miller aufbauen konnte. Seele hat den

Gastransit durch die Ukraine mehrfach als unzuverläs­sig kritisiert.

Die Wirtschaft insgesamt ist an der Verbesseru­ng der Beziehunge­n nach Moskau interessie­rt. Mit Siegfried Wolf gibt es einen weiteren gut vernetzten Protagonis­ten auf der Wien-Moskau-Achse. Der 59-Jährige machte einst bei Frank Stronachs Automobilz­ulieferer Magna Karriere und stieg dort bis zum CEO auf, ehe er zum Topma- nager der Holding Russian Machines des inzwischen mit Sanktionen belegten russischen Oligarchen Oleg Deripaska wurde. In Russland wurde Wolf 2016 mit dem Freundscha­ftsorden ausgezeich­net. In Österreich hat der gebürtige Steirer auch weiterhin enormen Einfluss, er ist unter anderem Aufsichtsr­atspräside­nt der Österreich­ischen Industrieh­olding AG. Kein Einzelfall: In der „Österreich­isch-russischen Freundscha­ftsgesells­chaft“sitzen gleich mehrere Vertreter der Wirtschaft­skammer.

Zugleich ist Wien auch Europazent­rale für russische Staatsbetr­iebe und Treff-

punkt russischer Unternehme­r. Die bekanntest­e ist die Gattin von Moskaus Ex-Bürgermeis­ter Juri Luschkow, Jelena Baturina. Die einzige Dollarmill­iardärin Russlands hat an die 100 Millionen Euro in Österreich investiert.

Gute Beziehunge­n nach Moskau unterhält auch Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel. Zuletzt nahm der ÖVP-Politiker einen Job als Aufsichstr­atsmitglie­d beim russischen Telekomkon­zern MTS an. Schüssel ist politisch weiter aktiv. Neben dem Thinktank Dialog Eu- rope Russia gehört er auch dem Waldai-Klub an, einem von Putin geschaffen­en Diskussion­s- und Expertengr­emium.

Am Rande der alpinen Ski-WM 2001 in St. Anton gingen Bilder um die Welt, die Schüssel und Putin beim gemeinsame­n Skifahren am Arlberg zeigten. Putin nahm, so berichtet es sein Biograf Roj Medwedew, mehrmals Ski-Unterricht bei Karl Schranz. Zwischen dem 79-jährigen Tiroler, der dreimal Weltmeiste­r, einmal Olympia-Zweiter (1964) und vor allem ein von Olympia Ausgeschlo­ssener

(1972) war, und Putin entwickelt­e sich eine „enge Freundscha­ft“, wie Schranz sagte, der mehrmals zu privaten Anlässen im Kreml eingeladen war.

Putin verpflicht­ete Schranz nicht zuletzt als Berater in infrastruk­turellen Fragen vor den Olympische­n Winterspie­len 2014 in Sotschi. Die Stadt am Schwarzen Meer hatte sich bei der Vergabe gegen Salzburg durchgeset­zt. Von dem Beraterauf­trag profitiert­en österreich­ische Unternehme­n wie Strabag und Doppelmayr. Sie erhielten Millionena­ufträge in Sotschi und Umgebung.

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WLADIMIR PUTIN: Russlands Präsident hat beste Kontakte nach Österreich.
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RAINER SEELE: Der OMV-CEO war Chef der deutschrus­sischen Wingas und hat bis heute gute Verbindung­en in den Kreml.
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HANS JÖRG SCHELLING: Der Ex-Finanzmini­ster ist nun Berater beim GazpromPip­elineproje­kt Nord Stream 2.
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WOLFGANG SCHÜSSEL: Der Ex-Kanzler sitzt im Aufsichtsr­at des russischen Telekomunt­ernehmens MTS.
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HEINZ-CHRISTIAN STRACHE: Nähert sich seit 2008 immer weiter an Putin an.
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DETLEF WIMMER: Der Linzer Vizebürger­meister setzt sich für den Verbleib der Krim bei Russland ein.
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JOHANN GUDENUS: Straches Stellvertr­eter gilt als Strippenzi­eher der Achse Wien–Moskau.
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SIEGFRIED WOLF: Der steirische Topmanager erhielt 2016 den russischen Freundscha­ftsorden.

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