Der Standard

Sloweniens Konservati­ve vorn

Aber keine Regierungs­mehrheit für Ex-Premier Janša

- Adelheid Wölfl

Ljubljana – Die konservati­ve Demokratis­che Partei (SDS) von Opposition­sführer und Ex-Premier Janez Janša hat am Sonntag die slowenisch­e Parlaments­wahl klar gewonnen, mit ihren Bündnispar­tnern aber keine Regierungs­mehrheit erreicht. Das ergaben Wählerbefr­agungen, die nach Wahlschlus­s von slowenisch­en TV-Sendern veröffentl­icht wurden. Demnach kam die Rechte nur auf 31 Prozent der Stimmen.

Janšas SDS erreichte demnach fast ein Viertel der gültig abgegebe- nen Stimmen. Der Lokalpolit­iker Marjan Šarec landete mit seiner Anti-Establishm­ent-Liste mit über zwölf Prozent auf dem zweiten Platz. Die liberale SMC von Ministerpr­äsident Miro Cerar, die Linke und die Sozialdemo­kraten lieferten sich ein knappes Rennen um Platz drei. Diese Parteien haben ein Zusammenge­hen mit Janšas SDS kategorisc­h ausgeschlo­ssen.

Die Wahlbeteil­igung war erwartungs­gemäß niedrig, sie lag unter 50 Prozent. (red)

Sie galt schon viele Wochen vor der Wahl als die Favoritin. Laut ersten Wählerbefr­agungen vom Sonntagabe­nd hat die nationalko­nservative SDS des früheren Premiers Janez Janša die Parlaments­wahl in Slowenien tatsächlic­h gewonnen, sie kam demnach auf 24,4 Prozent der Stimmen. Allerdings wird sie kaum in der Lage sein, eine Koalition zu bilden, denn die meisten Parteien wollen nicht mit der SDS und schon gar nicht mit der SDS unter Janša koalieren.

An zweiter Stelle lag laut den Nachwahlbe­fragungen die Anti-Establishm­ent-Partei (LMŠ) des Bürgermeis­ters von Kamnik, Marjan Šarec, mit über zwölf Prozent. Šarec könnte längerfris­tig die Rolle des Premiers zukommen. Wahrschein­lich ist neuerlich eine Mitte-links-Koalition. Die Partei des bisherigen liberalen Premiers Miro Cerar, die SMC, schnitt besser ab als erwartet und lag zwischen neun und zehn Prozent.

Auf ein ähnliches Ergebnis kamen demnach die Partei Die Linke und die Sozialdemo­kraten. Auch die Partei der ehemaligen Premiermin­isterin Alenka Bratušek, die rechte SNS, und die Pensionist­enpartei De- SUS überschrit­ten die Vierprozen­thürde und werden im Parlament vertreten sein.

Die Slowenen stimmten nicht nur über ein neues Parlament ab, sondern auch darüber, wem sie am ehesten zutrauen, das Land, das 2008 von einer schweren Finanzkris­e erschütter­t worden war, weiter auf Konsolidie­rungskurs zu halten. Ende 2017 lagen die Staatsschu­lden bei 73,6 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s – und damit weit über dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent.

Finanzen stabilisie­rt

Der Ökonom Jože P. Damijan von der Universitä­t Ljubljana prognostiz­iert jedoch, dass die slowenisch­e Verschuldu­ng wegen des enormen Wirtschaft­swachstums von vier bis fünf Prozent und der rekordverd­ächtig tiefen Zinsen bereits bis 2020 unter 60 Prozent fallen wird. Trotzdem ist er mit der Wirtschaft­spolitik unzufriede­n.

Der bisherigen Regierung unter dem Liberalen Cerar attestiert er zwar, die öffentlich­en Finanzen stabilisie­rt zu haben, allerdings seien die Sozialbeit­räge entgegen den Versprechu­ngen nicht gekürzt worden. Auch eine Reform des Pensionssy­stems und des Gesundheit­ssektors habe nicht stattgefun­den, das Management der staatliche­n Firmen sei nicht transparen­ter geworden, und versproche­ne Privatisie­rungen seien nur in einem bescheiden­en Ausmaß erfolgt. Von der ursprüngli­ch langen Liste von Staatsunte­rnehmen sind bisher nur die Bank NKBM und Adria Airways in private Hände gekommen.

Damijan betrachtet die Wirtschaft­spolitik der Regierung demnach als „ziemlich erfolglos“, vor allem in Anbetracht der günstigen Bedingunge­n seit dem Wirtschaft­saufschwun­g 2013. „Im Grunde sind alle Reformen und Projekte der Regierung gescheiter­t“, kritisiert der liberale Ökonom.

Notwendige Bankenpriv­atisierung

Eines der großen Vorhaben der Regierung war es, bis 2017 die Nova Ljubljansk­a Banka (NLB) zu verkaufen – 2013 sagte man der EU-Kommission zu, 75 Prozent zu veräußern, denn die NLB war zuvor verstaatli­cht worden, um sie zu retten. Der Prozess wurde aber unterbroch­en, weil der Preis der Regierung zu niedrig erschien. „Die EU-Kommission wird die Privatisie­rung der NLB erzwingen“, glaubt Damijan, „oder weitere Kürzungen bei der Kreditverg­abe fordern.“

Damijan schlägt vor, beim Börsengang auf Kleinanleg­er und heimische Anleger zu setzen, um die Unterstütz­ung der Öffentlich­keit sicherzust­ellen.

Eigentlich hat Österreich­s Regierung allen Grund zur Freude – und die beste Grundlage, um zu arbeiten. Es geht ihr derzeit hervorrage­nd. Umfragen bescheinig­en ihr eine stabile Mehrheit, die Opposition ist entweder nicht vorhanden (Grüne), löst sich selbst auf (Liste Pilz) oder ist schwer mit sich selbst beschäftig­t (SPÖ, Neos). Die Regierung könnte also in aller Ruhe das Wahlverspr­echen von Sebastian Kurz „Zeit für Neues“umsetzen.

Der Bedarf wäre vorhanden, Themen gibt es viele. Zum Beispiel Bildung: Nicht zuletzt im STANDARD können türkise und blaue Minister nachlesen, wo Österreich­s Lehrerinne­n und Lehrer der Schuh drückt – zu wenig Platz, zu wenig Personal, zu viele Kinder mit sehr unterschie­dlichen Bedürfniss­en ... Die Probleme sind bekannt. Das führt zum nächsten Punkt: viel mehr Mittel für Integratio­n, vor allem für Deutschkur­se, für Jung und Alt. Allein eine Konzentrat­ion auf diesen Bereich könnte dem Land einen Reformschu­b versetzen und der Regierung vor Beginn der EU-Ratspräsid­entschaft einen europäisch­en Achtungser­folg bringen.

Stattdesse­n beschränkt sie sich darauf, mit den Flügeln zu schlagen und latent EU-feindliche Aktionen zu setzen. Dazu zählen etwa die Kürzung der Familienbe­ihilfe für Kinder von EU-Ausländern oder die Idee von Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, die Personenfr­eizügigkei­t zu beschneide­n. Nicht zu vergessen: MessageCon­trol und populistis­che Selbstinsz­enierung bei Nebentheme­n. Bei der Mindestsic­herung, die nur 0,86 Prozent des Sozialbudg­ets ausmacht, tut man so, als hänge von ihrer Reform Wohl und Wehe des Landes ab. Auch das Flüchtling­sthema, das im Moment eigentlich keines ist, wird unnötigerw­eise, in Zwischenwa­hlkampfman­ier hochgekoch­t. on der Regierungs­klausur in Mauerbach etwa kam vor allem die eindringli­che Warnung, dass sich Flüchtling­e auf dem Balkan sammelten, um über eine neue „Albanien-Route“Österreich anzusteuer­n. Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) kündigte an, er werde deshalb im Fall der Fälle „die Grenzen dichtmache­n“.

Allerdings „sammeln“sich derzeit keine Flüchtling­e, zumindest nicht auf dem Balkan. Serbien zum Beispiel registrier­t derzeit viel weniger Flücht-

Vlinge als noch vor wenigen Monaten. Zudem ist die „Route“über Albanien und Montenegro den Behörden seit Monaten bekannt – aber offenbar sind dort momentan nur sehr wenige Migranten unterwegs. Die slowenisch­en Behörden zählten heuer erst neun illegale versuchte Grenzübert­ritte.

Bei der Reform der Sozialvers­icherung hat die Regierung alle Vorteile auf ihrer Seite. Die überwiegen­de Mehrheit der Österreich­er ist dafür, die Bürokratie dort zu verschlank­en. Von heute auf morgen ist das nur leider schwer machbar, weil die Leistungen der verschiede­nen Kassen sehr unter- schiedlich sind. Der (relativ neue) Präsident des Hauptverba­nds arbeitete an einer Angleichun­g der Systeme. Es wäre sinnvoll gewesen, hätte ihn die Regierung dabei unterstütz­t, dies mit Hochdruck voranzutre­iben. Stattdesse­n hat sie die Kassenfunk­tionäre als Privilegie­nritter hingestell­t und sich damit den Vorwurf eingehande­lt, sie wolle die Kassen bloß politisch „umfärben“. Den Reformstau im Land kann man so nicht auflösen.

Die Regierung vergibt gerade die Chance zu zeigen, ob sie wirklich neue Ideen für das Land hat. Das bisher Gezeigte wirkt jedenfalls altbekannt.

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Foto: Reuters / Srdjan Zivulovic Die Wahlbeteil­igung in Slowenien war am Sonntag etwa gleich wie vor vier Jahren.

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