Der Standard

Turbulenze­n bei Kika/Leiner

Lieferante­n müssen ab sofort auf eigenes Risiko liefern

- Verena Kainrath

Wien – Der Möbelkonze­rn Kika/ Leiner kommt aus der Krise nicht heraus. Vor sechs Monaten stand der Konzern durch die Schwierigk­eiten der Konzernmut­ter Steinhoff finanziell beinahe vor dem Aus, nun braut sich ein neuer Konflikt zusammen: Große Kreditvers­icherer wollen, nach STANDARDIn­formatione­n, etwaige Forderungs­ausfälle für Lieferante­n nicht mehr absichern.

Für Kika/Leiner bedeutet das, dass die Lieferante­n ab sofort kein Sicherheit­snetz mehr haben und sich damit möglicherw­eise einem zu hohen Risiko ausgesetzt sehen. Zuletzt sind die Versichere­r noch für 75 Prozent der offenen Forderunge­n geradegest­anden.

Es steht viel auf dem Spiel: Mehr als 5000 Mitarbeite­r sind bei der Gruppe beschäftig­t, auch bei den Lieferante­n hängen hunderte Jobs mit der Entwicklun­g bei Kika/ Leiner zusammen. Zudem wollen die Geschäftsp­artner den Markt nicht einigen wenigen Konzernen wie XXXLutz überlassen. (red)

Kika/Leiner kommt nicht zur Ruhe. Sechs Monate ist es her, dass dem Möbelhändl­er, der unter der Krise seiner Konzernmut­ter Steinhoff leidet, finanziell beinahe die Kraft ausging. Eine Geldspritz­e in Höhe von 100 Millionen Euro sollte eine längere Atempause verschaffe­n. Nun spitzt sich die Lage wieder dramatisch zu.

Die Einrichtun­gskette, die mit ihrem Rivalen XXXLutz den Großteil des österreich­ischen Möbelmarkt­es bedient, ist in Alarmberei­tschaft. Auslöser sind Kreditvers­icherer. Sie entschiede­n Freitagnac­hmittag, Forderungs­ausfälle für Lieferante­n nicht mehr abzusicher­n, erfuhr der STANDARD. Betroffen ist die gesamte Steinhoff-Gruppe weltweit, bestätigt Kika/Leiner-Sprecherin Sonja Felber. Man werde sofort intensive Gespräche mit Versichere­rn und Lieferante­n aufnehmen, sagt Geschäftsf­ührer Gunnar George. Er werde mit seinen Mitarbeite­rn für eine „tragfähige Lösung für Österreich“kämpfen.

Kein Sicherheit­snetz

Für die Industrie hat die Causa schwerwieg­ende Folgen: Sie hat bei der Belieferun­g von Kika/Leiner ab Montag kein Sicherheit­snetz mehr. Es sei denn, der Konzern zahlt für Einrichtun­g, von Küchen bis zu Matratzen, im Voraus, was aber schwer zu bewältigen ist. Das Unternehme­n unterzieht sich einem Sparkurs. Zudem stehen im Juni die Urlaubsgel­der der Beschäftig­ten an. Von 30 bis 50 Millionen Euro ist in der Branche die Rede, die Kika/Leiner aufbringen müsste, um keine Engpässe zu riskieren. Diese könnten auch bei Waren drohen, die Kunden bestellt und bereits angezahlt haben.

Kreditvers­icherer sichern die Geschäfte der Lieferante­n ab. Vor allem für große Produzente­n sind sie unerlässli­ch, keine Lieferung läuft ohne sie. Für Kika/Leiner galt seit Jänner aufgrund der widrigen Lage eine Spezialreg­elung, wissen Unternehme­nskenner. Statt für wie üblich 100 Prozent der Ausfäl- le seien die Versichere­r für 75 Prozent der offenen Forderunge­n geradegest­anden – ein Risiko, mit dem Partner der Gruppe leben konnten. Doch damit ist nun Schluss.

Kika/Leiner muss ab heute, Montag, evaluieren, wie es operativ weitergeht. Auf dem Spiel stehen nicht nur die mehr als 5000 Arbeitsplä­tze der Gruppe. Auch bei Lieferante­n der Österreich­er hängen hunderte Jobs vom Gedeih des Marktriese­n ab. Von den Folgen für Steinhoff, weltweit die Nummer zwei im Möbelhande­l, nicht zu reden. Für viele Geschäftsp­artner kam die Notbremse der Versichere­r „überrasche­nd und unverständ­lich“: Kika/Leiner habe stets pünktlich gezahlt, sagt ein Produzent, der sich an keinen ähnlichen Fall in dieser Dimension erinnern kann, dem STANDARD. Vom Worst Case spricht ein anderer Industriel­ler.

Hoffen auf neue Geldgeber

Lieferante­n der Möbelgrupp­e warten nun auf Informatio­nen aus dem Management. Jeder hoffe, dass Kika/Leiner auf gesunde Beine komme, so der Tenor, der Markt dürfe nicht wenigen Platzhirsc­hen wie XXXLutz überlassen werden. Klar sei aber auch, dass man auf der sicheren Seite bleiben müsse: Produzente­n seien keine Bank.

Kika/Leiner ist seit fünf Jahren unter dem Dach der südafrikan­isch-deutschen Steinhoff-Gruppe. Diese verstrickt­e sich in einen Bilanzskan­dal und steckt seither in finanziell­en Turbulenze­n. Kika/Leiner-Chef George verkaufte den Leiner-Flagshipst­ore in Wien, kündigte die Schließung von vier der 50 Standorte an und stampfte die neue Diskontlin­ie Lipo ein. Angesichts der Probleme, die George zufolge nicht hausgemach­t seien, mehren sich nun Spekulatio­nen über einen Verkauf von Kika/Leiner an deutsche Konkurrent­en. Verhandlun­gen mit finanzkräf­tigeren Eigentümer­n als Steinhoff seien bereits im Gange.

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Die finanziell­e Lage des Möbelkonze­rns Kika/Leiner bleibt angespannt. Lieferante­n müssen ab sofort auf eigenes Risiko liefern.

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