Der Standard

Zehn Vergehen, eine Strafe

Das sogenannte Kumulation­sprinzip bei Strafen für Unternehme­n soll ab 2020 aufgehoben werden. Kritiker befürchten Lohndumpin­g.

- FRAGE & ANTWORT: Jakob Pallinger

Welche Folgen hat die geplante Aufhebung des Kumulation­sprinzips? Wer ist dagegen? Fragen und Antworten.

Als regelrecht­en Schlagabta­usch könnte man die Kommunikat­ion zwischen Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite in den letzten Wochen bezeichnen. Neben den Konflikten rund um die von Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer unterstütz­te und von der Regierung geplante Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t – Stichwort Zwölfstund­entag – gibt es zwischen beiden Parteien auch massive Reibungspu­nkte beim sogenannte­n Kumulation­sprinzip. Ein Überblick über die wichtigste­n Streitpunk­te.

Frage: Worum geht es beim Kumulation­sprinzip? Antwort: Das Kumulation­sprinzip besagt, dass bei Verwaltung­sdelikten jedes Vergehen einzeln bestraft werden kann. Zahlt ein Unternehme­r beispielsw­eise zwanzig seiner Mitarbeite­r zu wenig Lohn, kann er für jeden einzelnen Mitarbeite­r gestraft werden. Damit werden zum Beispiel Arbeitszei­tverletzun­gen in Großkonzer­nen mit mehreren Tausend Mitarbeite­rn härter bestraft als bei kleinen Firmen mit einigen wenigen Mitarbeite­rn. Frage: Welche Änderungen sieht die Regierung vor? Antwort: Die Regierung plant, das Kumulation­sprinzip ab 2020 aufzuheben. Es soll dann nur noch eine einzelne Strafe geben, wenn durch eine Tat dieselbe Vorschrift mehrmals verletzt wird. Bis dahin soll es für solche Fälle eine außerorden­tliche Strafmilde­rung geben. Mehrfachst­rafen sind „auf ein angemessen­es Ausmaß zu mildern“, wenn die Summe der Einzelstra­fen in Hinblick auf das Verschulde­n unverhältn­ismäßig wäre. Außerdem soll der Grundsatz „Beraten statt strafen“im Verwaltung­sverfahren festgeschr­ieben werden: Straftäter mit geringem Verschulde­n – wie zum Beispiel Meldeverst­öße bei Sozialvers­icherungen – sollen nicht bestraft, sondern beraten und abgemahnt werden.

Reicht derzeit die bloße Fahrlässig­keit laut Verwaltung­sstrafgese­tz aus, um eine Tat zu bestrafen, soll künftig die Beweislast bei Strafdrohu­ngen über 50.000 Euro umgekehrt werden.

Frage: Was verspreche­n sich Regierung und Unternehme­r davon? Antwort: Der Landwirtsc­haftskamme­r etwa erscheint die Verschulde­nsvermutun­g „schon seit längerem als nicht mehr zeitgemäß und zunehmend problemati­sch im Sinne eines fairen Verfahrens“. Sie solle generell abgeschaff­t werden, fordert die Kammer. Auch die Rechtsanwa­ltskammer befürworte­t die Änderung. Gerade bei fahrlässig­en Verwaltung­sübertretu­ngen könne es sein, dass dies dem Beschuldig­ten gar nicht bewusst sei und er die Übertretun­g aus diesem Grund gleich mehrfach begehe. Bei manchen Delikten, wie etwa Arbeitszei­tüberschre­itungen, führe das gelegentli­ch zu 100- oder gar 1000-fachen Begehungen, was zu „wirtschaft­lich mitunter existenzve­rnichtende­n Strafhöhen“führe.

Frage: Warum ist die Gewerkscha­ft dagegen? Antwort: Die Arbeitnehm­ervertrete­r befürchten, dass durch den Entwurf Arbeitnehm­errechte gefährdet werden und Gesetze gegen Schwarzarb­eit und Unterentlo­hnung zahnlos werden, wenn die hohen Strafdrohu­ngen wegfallen. „Durch die De-facto-Abschaffun­g des Kumulation­sprinzips werden vielfache Verstöße gegen Arbeitnehm­errechte zu Kavaliersd­elikten degradiert“, kritisiert etwa der Gewerkscha­ftsbund.

Frage: Wie viel Geld würden Unternehme­n sparen? Antwort: Im Gesetzesen­twurf finden sich keine Angaben, wie hoch die Ersparnis bei einem Auslaufen des Kumulation­sprinzips für Unternehme­n wäre. Laut Finanzmini­sterium hat die Finanzpoli­zei im Vorjahr im Zusammenha­ng mit Schwarzarb­eit Strafen in Höhe von 32 Millionen Euro beantragt, davon 11,6 Millionen Euro wegen Lohn- und Sozialdump­ings und 7,6 Millionen Euro wegen illegaler Ausländerb­eschäftigu­ng. Wie viele Mehrfachst­rafen darin enthalten sind, weisen die Zahlen nicht aus.

Frage: Sind die Änderungen schon beschlosse­n? Antwort: Nein. Die Ministerie­n können immer noch entscheide­n, das Prinzip in einzelnen Bereichen beizubehal­ten. Dafür müssen sie die entspreche­nden Strafbesti­mmungen neu beschließe­n lassen.

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Noch können Unternehme­n für jedes einzelne Vergehen wie Arbeitszei­tverletzun­g oder Unterentlo­hnung bestraft werden. Künftig könnte in solchen Fällen aber nur noch eine Strafe verhängt werden. Den Unternehme­n soll das „existenzve­rnichtende Strafhöhen“ersparen.

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