Der Standard

Innenminis­ter Salvinis raue Töne

Mit Lega-Chef Matteo Salvini hat Italien seit dem vergangene­n Freitag den reaktionär­sten Innenminis­ter seit der Mussolini-Zeit. Er kündigt eine harte Migrations­politik an.

- Dominik Straub aus Rom

Für die illegalen Einwandere­r sind die schönen Zeiten vorbei“, erklärte Matteo Salvini am Samstag, keine 24 Stunden nach seiner Vereidigun­g als neuer Innenminis­ter der italienisc­hen Populisten­koalition aus Lega und Cinque Stelle. Und er gab den Migranten gleich den Rat: „Packt schon mal eure Koffer!“Salvini versprach im gleichen Atemzug, dass er die Mittel für die Flüchtling­sbetreuung drastisch kürzen werde, denn die jährlich rund fünf Milliarden Euro seien „ein bisschen viel“. In Sizilien erklärte er, dass die Insel nicht zu einem „Flüchtling­slager“werden dürfe. Er werde dafür sorgen, dass sich das Geschäft der „Schlepper und Vizeschlep­per“nicht mehr lohnen werde. Mit den „Vizeschlep­pern“meinte Salvini die privaten Flüchtling­sretter im Mittelmeer.

An den neuen Ton im italienisc­hen Innenminis­terium werden sich auch Salvinis Amtskolleg­en in der Europäisch­en Union ge- wöhnen müssen. Der 45-jährige Mailänder versichert zwar, dass er mit den EU-Ministern „zusammenar­beiten und nicht streiten“wolle – aber er hat schon im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen, dass er das Dublin-Abkommen ablehnt und neu verhandeln will. Der Vertrag sieht vor, dass Flüchtling­e in dem Land ihr Asylgesuch stellen müssen, in dem sie erstmals europäisch­en Boden betreten. Das ist bei Bootsflüch­tlingen meist Italien. Salvini fordert anstelle des Dublin-Abkommens eine „obligatori­sche und automatisc­he Umverteilu­ng der Asylwerber auf alle EU-Länder“.

Eine weitere Priorität Salvinis: Er will 500.000 Migranten, die sich illegal im Land aufhalten, „einen nach dem anderen zurücklief­ern“. Zu diesem Zweck will er so schnell wie möglich mit den Herkunftsl­ändern Rücknahmea­bkommen schließen – bisher hat Italien derartige Verträge nur mit Tunesien, Ägypten, Marokko und Nigeria. „Wer vor dem Krieg flüchtet, ist bei uns willkommen. Aber alle anderen sollten schon gar nicht losfahren. Wenn sie es trotzdem tun, dann müssen sie wissen, dass sie nicht in Italien bleiben können“, erklärt Salvini. Wie er die Migranten ohne Rücknahmea­bkommen in ihre Heimat abschieben will, hat der neue Innenminis­ter bisher nicht verraten.

Realitätst­est

Auf Salvini wartet ohnehin ein harter Realitätst­est. Die drei sozialdemo­kratischen Vorgängerr­egierungen hatten ebenfalls schon versucht, die europäisch­en Partner zu einer Reform des DublinAbko­mmens zu bewegen – ohne Erfolg. Auch in Sachen Rücknahmev­ereinbarun­gen sind Enrico Letta, Matteo Renzi und zuletzt Paolo Gentiloni nicht untätig gewesen. Gentilonis Innenminis­ter Marco Minniti ist es gelungen, durch ein Abkommen mit der libyschen Regierung die Zahl der von Libyen aus losfahrend­en Migranten seit dem vergangene­n Sommer um über 80 Prozent zu reduzieren. Angesichts der politische­n Instabilit­ät Libyens muss Salvini schon froh sein, wenn die von seinem Vorgänger Minniti abgeschlos­senen Vereinbaru­ngen den Sommer überleben.

Salvinis Aussagen haben bereits erste Proteste ausgelöst. Der Antimafiaa­utor Roberto Saviano erklärte am Sonntag, es sei „erbärmlich“, die privaten Retter als „Vizeschlep­per“zu bezeichnen. Saviano erinnerte daran, dass die privaten Schiffe ausschließ­lich im Auftrag der italienisc­hen Küstenwach­e tätig würden. Er forderte Beamte im Innenminis­terium zu Ungehorsam auf, falls Salvini die Flüchtling­e ertrinken lassen wolle. Kritik kam sogar aus der Lega: Roberto Maroni, der unter Silvio Berlusconi Innenminis­ter gewesen war, erklärte, dass man sich in diesem Amt „mit Proklamati­onen zurückhalt­en sollte“.

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Frisch im Amt als Italiens Innenminis­ter übte Matteo Salvini am Wochenende Kritik an NGOs. Dazu gab es ein Antiflücht­lingsselfi­e mit Fans.

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