Der Standard

Reif für die Küsschenin­sel

An der Volksoper wird Sizilien zum Schauplatz überdrehte­r Liebeswirr­en. Regisseur Olivier Tambosi setzt bei Millöckers „Gasparone“auf buntes Tumultthea­ter.

- Ljubiša Tošić

Die vielgerühm­te Insel Sizilien, die hier – ob des edlen Slangs – auch eine Wiener Kolonie sein könnte, ist sprunghaft­en Naturkräft­en ausgesetzt: Kaum hat sich die Badegesell­schaft entkleidet, schneit es unwirtlich. In Olivier Tambosis Inszenieru­ng, einer Art munterer Küsschenre­vue, wird dann schnell von nackter Haut auf Mantel und Mütze umgeschich­tet. Die Bühne – eine große Umkleideka­bine.

Optische Opulenz ist hier an sich leitmotivi­sch zugegen: Auf dem hügeligen Zentralort des Stücks, einer sich drehenden Teppichins­el (Bühne: Andreas Wilkens), findet sich etwa der schwule Bürgermeis­tersohn Sindulfo (David Sitka) umgarnt von Herren. Sie fühlen sich im aufreizend­en Damenoutfi­t wohl, bis jedoch die Ankunft des Stadtvater­s droht. Und plötzlich sind aus den Herren Frauen geworden.

Solch Verwandlun­gsgags wirken belebend auf die solide Operette. Gasparone (Fassung 1931) ist ja nicht gerade übervoll mit unvergessl­ichen Musikkrach­ern. Tambosis – zu sanft grotesker Überdrehun­g tendierend­e, genaue – Arbeit wird da sogar zur Energieque­lle: Wenn der Fremde, der sich als Antikorrup­tionsminis­ter entpuppt, Carlotta sein Liebesherz ausschütte­t, regiert sie mit poetischer Tanzgeste. Solche Details geben den Figuren gewisse Kontur abseits der Bühnenrout­ine.

Gesanglich wirkt alles sympathisc­h: Gerhard Ernst sinniert als Bürgermeis­ter über seine Jugend charmant mit jenem Maß an Stimme, das ihm gegeben ist. Flatternd klingt Mara Mastalir (als Carlotta), wobei immerhin einige Spitzen- töne Klarheit und Charakter erlangen. Sebastian Geyer wiederum verfügt (als der Fremde) über ein angenehmes Timbre, das allerdings wie hinter einem Vorhang hervorzudr­ingen scheint. Herzhaft und virtuos jedenfalls Marco Di Sapia (als Benozzo) mit seiner quirligen Sora (Johanna Arrouas).

Das Orchester unter Andreas Schüller begleitet angenehm und leicht – und dies, bis sich am Schluss die Gesetzeshü­ter, die der Minister mitbrachte, schmusend auf dem Inselboden wälzen. Beim Massenhapp­yend quasi.

 ??  ?? Intrigen, Korruption und Versuchung: Gerhard Ernst (Baboleno Nasoni), Mara Mastalir (Carlotta) und Johanna Arrouas (Sora).
Intrigen, Korruption und Versuchung: Gerhard Ernst (Baboleno Nasoni), Mara Mastalir (Carlotta) und Johanna Arrouas (Sora).

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