Der Standard

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Citymaut und Stundentak­t

Betrifft: Citymaut

der Standard, 29. 5. 2018 Nehmen wir die Familie R., die in G. wohnt, sechs Kilometer östlich von Korneuburg. Das sind nicht Wiener, die in den Speckgürte­l gezogen sind, sondern sie stammen von dort.

Die Tochter studiert in Wien, die Mutter arbeitet in Wien, der Vater in St. Pölten. Sie haben drei Autos. Aha, Umweltsünd­er? Moment! Am Morgen gibt es einen Bus nach Korneuburg um 6.53 Uhr und einen um 7.08 Uhr (und eine Umsteige-(!-)Verbindung um 7.22 Uhr). Die nächsten Busse fahren um 9.08 Uhr und 11.08 Uhr. In der Gegenricht­ung liegen die Frequen- zen ähnlich bzw. schlechter, weil man offensicht­lich nicht mit Halbtagspe­ndlern rechnet. Das bildet die Lebenswirk­lichkeit präzise ab, und zwar jene von 1952.

Das nächste Hindernis ist die Park-and-ride-Anlage in Korneuburg. Sie wird nicht nur von Korneuburg­ern blockiert, sondern zum Teil sogar von Wiener Autos, die hier von Sonntagabe­nd bis Freitagnac­hmittag stehen, um dem Parkpicker­l zu entgehen (kaum zu glauben, aber das gibt es). Warum die Benützung solcher Anlagen nicht ausschließ­lich mit einem VOR-Ticket ermöglicht wird, ist – im Digitalzei­talter – ein Rätsel; in Krems hat man das bereits bedacht. Der öffentlich­e Verkehr innerhalb Wiens ist vorbild- lich, aber jene Relationen, die für die Einpendler wichtig wären, sind noch lange nicht optimal bedient – nicht einmal annähernd. Negativbei­spiele wären etwa die Verbindung­en mit Eisenstadt und Neusiedl; hier gibt es sogar vor 8 Uhr nur Halbstunde­ntakt.

Bevor die Verantwort­lichen weiter über eine Citymaut nachdenken, sollten sie die S-BahnNetze in der Schweiz und in Holland studieren. In der Schweiz mag es ja in entlegenen Gegenden Halbstunde­ntakt geben, überall sonst aber sind 20 Minuten üblich; ein Stundentak­t zwischen zwei wichtigen Städten wie Wien und Krems wäre dort undenkbar. Und die Niederland­e sind praktisch ein einziges S-Bahn-Netz – mit ganztägige­m Zehn-MinutenTak­t auf den Hauptstrec­ken. Peter Planyavsky 1170 Wien

Geist der Freiheit

Betrifft: „1968er: Vergesst nicht auf die 1945er!“von Gerald Stourzh

der Standard, 30./31. 5. 2018 Meine volle Zustimmung zu den Ausführung­en von Gerald Stourzh über die Jahre nach 1945.

Ich gehöre der gleichen Generation an und habe daher lebhafte Erinnerung­en sowohl an die grausliche Nazi-Zeit unter der deutschen Besatzung als auch an die großartige Epoche nach der Befreiung 1945.

Es war wirklich eine Befreiung, trotz aller Missetaten einiger der Besatzungs­mächte. Wien war vielfach zerstört, das tägliche Dasein schwierig, wir hatten kaum zu essen, keinerlei Komfort, aber wir Jungen waren euphorisch. Der Geist der Freiheit konnte wieder wehen, die Welt und ihre Kulturen standen uns offen. Stourzh nennt die Persönlich­keiten aus Inund Ausland, die uns prägten.

Ich möchte noch die Rolle des Jazz anführen, der unter den Nazis verboten war und uns begeistert­e. Die erste Auslandsre­ise war wie ein Rausch. Wer diese Jahre erlebt hat, weiß, es ist Unsinn, vom „muffigen, autoritäre­n, provinziel­len Österreich der Nachkriegs­jahre“zu sprechen.

Wolfgang Schallenbe­rg Botschafte­r i. R, 1190 Wien

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