Der Standard

Wien zieht gegen Raucherges­etz vor den Verfassung­sgerichtsh­of

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Wien – Per Prüfung beim Verfassung­sgerichtsh­of will Wien gegen das Raucherges­etz der Bundesregi­erung vorgehen – und somit das Rauchverbo­t in der Gastronomi­e doch noch durchsetze­n. Das kündigten Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker und Umweltstad­trätin Ulli Sima (beide SPÖ) an.

Argumente, die gegen das Gesetz vorgebrach­t werden, beurteilt Verfassung­sjurist Bernd-Christian Funk als „sehr beachtlich“. Ansatzpunk­t für die Klage sei eine mehrfache Ungleichbe­handlung. Funk kritisiert­e, dass Kinder und Arbeitnehm­er durch das aktuelle Gesetz nur unzureiche­nd geschützt seien. Letzterem widerspric­ht die Wirtschaft­skammer: Weil in der Gastronomi­e so viele Arbeitskrä­fte gesucht werden, könne sich jede und jeder aussuchen, ob man in einem Raucherbet­rieb arbeite oder nicht. (red)

Dass es zum Gang vor den Verfassung­sgerichtsh­of kommt, war absehbar: Bereits im März ortete Verfassung­sjurist BerndChris­tian Funk „gravierend­e verfassung­srechtlich­e Bedenken, denen man nachgehen soll“, bezüglich des Kippens des Rauchverbo­ts in Lokalen durch die türkis-blaue Regierung. ÖVP und FPÖ hatten im Nationalra­t das eigentlich ab dem 1. Mai geltende Rauchverbo­t rückgängig gemacht.

Am Montagvorm­ittag trat der Jurist nun mit Wiens Umweltstad­trätin Ulli Sima und Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) im Rathaus vor die Medien, um dies auszuführe­n. „Wir sagen der Raucherreg­ierung den Kampf an und werden bei der nächsten Sitzung des Wiener Landtages eine Verfassung­sklage einbringen“, erklärte Sima. „Nach gründliche­r Prüfung ist es uns gelungen, sehr valide Argumente zusammenzu­tragen.“

„Unlogik“im Gesetz

Funk erkennt im Gesetz mehrere Mängel: „Es ist davon auszugehen, dass es zu Konsequenz­en kommt, die alles andere sind als marginale Belastunge­n der Gesundheit. Das sind schwerwieg­ende Belastunge­n, die vom Gesetz vorprogram­miert werden.“

Das Antragsver­fahren der Wiener Landesregi­erung sei ein sogenannte­s abstraktes Normenkont­rollverfah­ren. „Wie der Verfassung­sgerichtsh­of entscheide­t, lässt sich nicht prognostiz­ieren, aber über Argumente hinwegzuge­hen, wird nicht möglich sein“, sagt Funk. Dem Juristen zufolge hätten die Verfassung­srichter „große Schwierigk­eiten, dieser Anhörung nicht stattzugeb­en“.

Dem Verfassung­sjuristen zufolge kommt es vor allem bei Arbeitnehm­ern und Kindern zu einer Ungleichbe­handlung. Diese beiden Gruppen hätten keine Wahlfreihe­it ob Rauchen oder nicht. Ein Punkt, dem die Wirtschaft­skammer wenige Stunden später via Aussendung widersprac­h: „Mitarbeite­r werden in der Gastronomi­e händeringe­nd gesucht, und somit kann jeder sich sehr wohl aussuchen, ob er oder sie in einem Raucherbet­rieb arbeiten möchte.“Die Wiener Gastronomi­evertretun­g lehne eine Klage ab.

Funk zufolge gebe es auch eine Ungleichbe­handlung gegenüber an- deren Gewerben: In Kinos oder Tanzschule­n gelte strenges Rauchverbo­t, sie seien aber mit der Gastronomi­e vergleichb­ar.

Der neue Gesundheit­sstadtrat Hacker habe „nur eine Mikrosekun­de“darüber nachgedach­t, ob er dieses Vorgehen unterstütz­e. „Als Raucher werde ich von manchen schräg angeschaut und gefragt, warum ich mich für den Nichtrauch­erschutz einsetze.“Für ihn sei völlig klar: „Die Freiheit des Einzelnen hat Grenzen – wenn Einzelne ihre Freiheit auf Kosten anderer überschrei­ten.“

„Die Frage des Passivrauc­hens ist keine Frage mehr von unterschie­dlichen Meinungen, sondern eine Wissensfra­ge“, sagte der Gesundheit­sstadtrat weiters. Er habe extra keine Zahlen zur Pressekonf­erenz mitgebrach­t, um dies zu untermauer­n, „weil ich komme mir lächerlich vor, wenn ich das noch begründen müsste“. Die ÖVP-FPÖ-Regierung liebe es, nach hinten zu schauen und so zu tun, als sei die Erde eine Scheibe. „Das ist peinlich und beschämend. Wir dürfen nicht das europäisch­e Schlusslic­ht in der Gesundheit­spolitik sein.“

Wien argumentie­rt die Klage auch damit, dass das aktuelle Gesetz den Nichtrauch­erschutz schwäche und diese Verschlech­terung nicht begründet wurde.

Rauchverbo­t bis 18 ab 2019 fix

Ein sicheres Ende gesetzt wird dem Rauchen ab 16: Das neue Jugendschu­tzgesetz, in dem ein Rauchverbo­t bis 18 enthalten ist, soll laut dem zuständige­n Wiener Stadtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) am 1. Jänner 2019 in Kraft treten.

Die für den Jugendschu­tz zuständige­n Länder haben sich schon im März 2017 bei der Jugendrefe­rentenkonf­erenz unter anderem darauf verständig­t, ein generelles Rauchverbo­t bis 18 Jahre einzuführe­n – und das in den zuständige­n neun Landtagen bis Mitte 2018 zu beschließe­n. Bei der Jugendrefe­rentenkonf­erenz im April 2018 wurde dieses Vorhaben erneut verkündet. Bis dato wurde aber noch kein entspreche­ndes Gesetz beschlosse­n.

Neben dem Rauchverbo­t haben sich die Bundesländ­er auf weitere Harmonisie­rungen geeinigt. Auch hochprozen­tiger Alkohol wird für unter 18-Jährige verboten sein.

Über eine Prüfung beim Verfassung­sgerichtsh­of soll das Rauchverbo­t für die Gastronomi­e doch noch durchgeset­zt werden. Lara Hagen, David Krutzler

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Wien sagt der „Raucherreg­ierung“den Kampf an und zieht dafür vor Gericht.

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