Der Standard

Marketing oder Diagnose?

Der US-Rapper Kanye West veröffentl­icht „Ye“– und bekennt sich zu einer bipolaren Störung

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Die Häme war absehbar. Der Rapper Kanye West behauptet auf seinem neuen Album Ye, an bipolarer Störung zu leiden. Das erkläre seine irrlichter­nden Statements, sein erratische­s Verhalten. Dieses gipfelte zuletzt in der Aussage, wer 400 Jahre lang Sklaverei ertrage, tue das wohl aus freien Stücken. Der Aufschrei angesichts dieser nur von ihrer Arroganz übertroffe­nen Dummheit war groß. Gleichzeit­ig blieb unklar: Sollte diese Provokatio­n nicht bloß auf das neue Al- bum des 41-jährigen US-Amerikaner­s aufmerksam machen?

Notwendig gewesen ist sie nicht. Wenn einer der erfolgreic­hsten Rapper der Welt den Satz „I hate being Bi-Polar its awesome“auf das Cover seines neuen Albums schreibt, reicht das. Eine bipolare Störung bedingt krasse Stimmungss­chwankunge­n. Ob diese seine Aussagen und sein Kuscheln mit Donald Trump rechtferti­gen, sei dahingeste­llt. Es wirft aber ein neues Licht auf seine Musik. In ihr treffen genialisch­e Momente auf Banales. Ye ist nun so etwas wie die Bestätigun­g von Wests Diagnose. Es beginnt mit einer Meditation über Mord und Suizid. I Thought About Killing You heißt der Track. Die schönsten Gedanken, sagt er darin, sind die dunkelsten. Hinter diesem Spoken-Word-Bekenntnis wabert eine Soundcloud – bis er zur Hälfte des Titels eine Bassspur unterlegt. Genie blitzt da keines auf.

Das auf 23 Minuten und sieben Stücke ausgelegte Album klingt eher wie eine Fingerübun­g: Ein- mal das Heimstudio hochfahren, ein paar Raps, danke. Nur Ghost Town wirkt, als habe er darauf mehr Ehrgeiz verwendet. Auf einem Sample von Vanilla Fudge gebaut, verströmt es Gospel-Feeling – bevor eine Gitarre einsetzt. Das verfängt eher als seine Ansagen über Mord und Suizid. Wobei – wenn es denn stimmt – gilt es ab sofort doch zu berücksich­tigen, dass der Mann an einer Krankheit leidet. Einer, die er seine Superkraft nennt. Es dürfte also irrlichter­nd weitergehe­n. (flu)

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