Der Standard

Kopf des Tages

Starbucks-Gründer Howard Schultz verlässt die Kaffeekett­e. Ihm werden Avancen in der Politik nachgesagt. In einem Interview erklärte Schultz, er wolle etwas für sein Land tun. Es sei nicht die Zeit, Mauern zu bauen, sondern Zeit für Brücken.

- Frank Herrmann aus Washington

Die Voestalpin­e bekommt einen neuen Chef: Stahlvorst­and Herbert Eibenstein­erübernimm­t im Sommer 2019 von Wolfgang Eder.

Es komme ihm so vor, als sei es erst gestern gewesen, dass er zum ersten Mal über die Türschwell­e des Ladens am Pike Place lief, schrieb Howard Schultz in einem Brief an seine Beschäftig­ten. Auf dem Pike Place Market in Seattle begann 1971 die Firmengesc­hichte, und als Schultz das erste Café der damals noch sehr überschaub­aren Kette betrat, wusste jenseits von Seattle kaum jemand etwas anzufangen mit dem Namen Starbucks. Damals kam das Unternehme­n auf elf Filialen. Heute sind es 28.000, verteilt auf 77 Länder.

Am Montag gab er seinen Rücktritt bekannt, der Mann, der den Erfolg begründete, indem er seinen Landsleute­n statt dünner oder bitterer Brühe ordentlich­en Kaffee anbot. In einem Anflug von Nostalgie warf er einen Blick zurück auf die „Reise seines Lebens“, zu der er seinerzeit auf dem Pike-Place-Markt aufgebroch­en sei. Was die Amerikaner indes brennender interessie­rt, ist der Blick nach vorn. Da wäre die Frage, ob der gebürtige New Yorker beim nächsten Präsidents­chaftsvotu­m antritt, um Donald Trump die Stirn zu bieten. Dem Nationalis­ten im Oval Office, über den er nicht viel Gutes zu sagen hat. Mit seiner Rhetorik, klagte er neulich bei CNN, habe der Präsident Leuten, die seine Sprache kopieren wollten, einen Freibrief ausgestell­t.

Schon vor der Wahl im Jahr 2016 war Schultz als Anwärter fürs Weiße Haus gehandelt worden, was nicht weiter überrascht­e, scheint es doch zu den ungeschrie­benen Regeln amerikanis­cher Wahlen zu gehören, über die Bewerbung milliarden­schwerer Geschäftsl­eute zu spekuliere­n. Mit Blick auf 2020 brodelt die Gerüchtekü­che schon jetzt. Trumps Coup lässt nun auch die Demokraten darüber diskutiere­n, ob sie nicht mit Personal aus der Welt des Business kontern sollten.

Hightech-Unternehme­r Mark Cuban ist ebenso im Gespräch wie die Talkshow-Moderatori­n Oprah Winfrey, die zwar schon dementiert­e, aber offenbar nicht energisch genug, als dass das Kapitel bereits beendet wäre. Nun gilt auch Schultz, zum zweiten Mal, als Aspirant im Wartestand. Und diesmal beflügelt er die Fantasie eher noch, statt abzuwinken.

„Ich denke über eine ganze Reihe von Optionen nach, von der Philanthro­pie bis hin zu einem öffentlich­en Amt“, schrieb Schultz in seinem Brief. In einem Interview mit der New York Times sprach er von den Sorgen, die er sich um die Republik mache. Von der zunehmende­n Spaltung daheim und Amerikas lädiertem Ansehen in der Welt. Im nächsten Lebensabsc­hnitt wolle er herausfind­en, „ob es eine Rolle gibt, die ich spielen kann, um dem Land etwas zurückzuge­ben“. Das klang schon eher nach „Howard Schultz 2020“, auch wenn der 64-Jährige sagte, er wisse noch nicht genau, welche Rolle dies sein könnte.

„Haben Verantwort­ung“

Wo er politisch steht, daraus hat der Sohn eines Lastwagenf­ahrers, aufgewachs­en in einer Sozialwohn­ung in Brooklyn, nie ein Geheimnis gemacht. „Dies ist nicht die Zeit, Mauern zu bauen. Dies ist die Zeit, Brücken zu bauen“, wandte er sich erst im Mai, in einem Forum des Thinktanks Atlantic Council, gegen Trumps Abschottun­gspläne. „Wir haben die enorme Verantwort­ung, den Status quo des Mangels an Würde und Respekt zu überwinden, statt ihn zu akzeptiere­n.“Die Steuersenk­ungen der Republikan­er kritisiert­e er wegen der damit einhergehe­nden Haushaltsd­efizite, die zulasten der jungen Generation gingen. Trumps Dekrete zur Beschränku­ng der Aufnahme von Flüchtling­en beantworte­te er, indem er ankündigte, weltweit zehntausen­d Flüchtling­e einstellen zu wollen.

Darüber hinaus inszeniert­e sich Schultz stets als ein Unternehme­r, der das Streben nach Gewinn mit sozialem Gewissen verbindet. Auch Teilzeitbe­schäftigte sind bei Starbucks krankenver­sichert, was in den USA nicht die Norm ist. Wer neben dem Beruf einen Hochschula­bschluss machen will, dem werden die Studiengeb­ühren an der Arizona State University bezahlt. Zuletzt ist der Konzern aber durch eine haarsträub­ende Episode in einem Café in Philadelph­ia ins Gerede gekommen. Zwei Afroamerik­aner, die auf einen Geschäftsp­artner warteten und die Toilette benutzen wollten, ohne etwas bestellt zu haben, wurden abgeführt, die Hände mit Kabelbinde­rn zusammenge­bunden. Die Wogen der Empörung, die dem Zwischenfa­ll folgten, versuchte Schultz zu glätten, indem er einen Schulungst­ag anberaumte. Nun soll wieder klar sein: Kunden sind gleichzube­handeln, egal, welche Hautfarbe sie haben.

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Starbucks-Chef Howard Schultz hat genug vom Kaffee. Er will Amerika verändern. Gerüchten zufolge will er als US-Präsident kandidiere­n.

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