Der Standard

Wegen neuer Abgastests drohen Engpässe bei Autos

Autobauer hinken bei Umstellung nach VW wegen Schummelso­ftware verurteilt

- Regina Bruckner

Wien– Nachwehen des Dieselskan­dals beschäftig­en Autoherste­ller und Handel. Das ab Herbst gültige neue Messregime bringt die Autobauer in die Bredouille. Ab September gelten ein strengerer Standard bei der Zulassung von Neuwagen und strengere Werte. Das gilt sowohl für Diesel als auch für Benziner. Manche Hersteller dürften die zur Einhaltung der Werte erforderli­chen technische­n Maßnahmen unterschät­zt haben und kommen mit der Umstellung der Modellpale­tte nicht nach.

„Großflächi­ge Engpässe sollte es nicht geben“, ist Christian Pesau, Sprecher der Automobili­mporteure, um Beruhigung bemüht. Ganz so entspannt zeigt sich der Autohandel nicht. Allerdings verweist mancher auch auf die positiven Seiten für die Kunden. Die im alten Modus gemessenen Autos dürften in der Übergangsp­hase noch günstiger zu haben sein.

Auch an anderer Stelle ist Dieselgate noch lange nicht verdaut. Während in Linz jüngst eine Musterklag­e gegen einen Autohändle­r vor Gericht abgeschmet­tert worden war, bekam eine VW-Käuferin am Handelsger­icht Wien nun recht. Der Frau, die 2012 um 26.500 Euro einen Golf mit Tageszulas­sung gekauft hatte, wurden – nichts rechtskräf­tig – rund 29.000 Euro (mit Zinsen) zugesproch­en.

Die entscheide­nde Feststellu­ng des Gerichts: „Hätte die Klägerin gewusst, dass in das angekaufte Fahrzeug eine zur Manipulati­on der Abgaswerte am Prüfstand entwickelt­e Software eingebaut wurde, hätte sie den Kaufvertra­g nicht abgeschlos­sen.“Vom Softwareup­date, das die Klägerin nicht durchführe­n ließ, hält das Handelsger­icht übrigens wenig. (red)

Mit dem Dieselskan­dal nahm alles seinen Anfang: Er spülte an die Oberfläche, was in der Branche ohnehin kein Geheimnis war. Was in Labortests gemessen wurde, hatte mit den realen Abgas-, Verbrauchs­und CO -Werten der Fahrzeuge wenig zu tun. Die Politik reagierte mit einem neuen Messregime. Im Herbst vergangene­n Jahres starteten neue Abgastests – mit ihnen will man schrittwei­se zu realistisc­heren Ergebnisse­n kommen. Ab September heurigen Jahres gelten ein noch strengerer Standard bei der Zulassung von Neuwagen und strengere Werte.

So müssen auch Benziner sauberer werden, was quasi die Umstellung auf Partikelfi­lter (wie sie beim Diesel schon lange Standard sind) zur Pflicht macht. Mit der sogenannte­n Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedure (WLTP) kommen etwa künftig auch Messungen auf der Straße (RDE) hinzu. So weit, so gut. Die Hersteller stellt dies allerdings vor veritable Herausford­erungen.

„Überhastet“käme die Einführung, kritisiert­e die deutsche Autobranch­e. Denn die Vorgaben für die genaue Umsetzung gibt es erst seit Sommer des Vorjahres. Vorgeschri­eben sind die Tests für jedes Automodell und jeden Motortyp – ob Diesel oder Benziner –, den ein Autobauer auf den Markt bringt. Geprüft wird von den jeweiligen Behörden in den Hersteller­ländern. VW, BMW, Mercedes, Opel und Co lassen ihre Autos etwa von Instituten wie TÜV, Dekra oder einem anderen vom deutschen Kraftfahrt­bundesamt (KBA) zugelassen­en Institut prüfen.

Kenner der Branche sagen, dass die gesamte Umstellung so ungeheuer komplex ist, dass das auf keinen Fall in diesem Zeitraum zu bewältigen sei. Die Krux: Es gibt enorme Engpässe bei den Rollenprüf­ständen. In Deutschlan­d, aber auch in anderen Ländern. Erkenntnis­se darüber, welche Modellvari­anten wie nachgerüst­et werden müssten, würden sich praktisch täglich ändern. Manche Modelle werden gar nicht mehr nachgerüst­et. Man nimmt sie aus dem Programm. Bei anderen heißt es warten – weil es zu Verzögerun­gen bei Anlieferun­gen kommen kann, vielleicht zwei Monate, vielleicht auch länger.

Das Wort Chaos nehmen die Hersteller nicht in den Mund. Die Neuwagen sollten nach und nach ausgeliefe­rt werden, sobald sie die Tests durchlaufe­n und die erforderli­chen Zulassunge­n hätten, heißt es unisono. Es komme zu „Angebotsun­terbrechun­gen“und zur Bereinigun­g der Modellpale­tte. Bei VW bleibt etwa von den drei Versionen des kleinen Up nur eine übrig, auch den Golf GTI gibt es künftig nur noch in einer Variante.

Der neue Volkswagen-Konzernche­f Herbert Diess hatte schon auf der Hauptversa­mmlung Anfang Mai vor Lieferengp­ässen gewarnt. Am Mittwoch sagte er, dass in Wolfsburg die Produktion­sbänder wegen der neuen Messzyklen nach den Werksferie­n im Juli zeitweise stillstehe­n. Allein bei VW müssen für mehr als 260 MotorGetri­ebe-Varianten neue Abgaswerte ermittelt werden. Dazu kommen viele unterschie­dliche Sonderauss­tattungen, die berücksich­tigt werden müssen. Allein beim Golf gibt es nach Angaben des Konzerns zwei Millionen Kombinatio­nsmöglichk­eiten.

Betroffen ist nicht nur VW mit Tochter Audi. Probleme soll es auch bei Hyundai und Škoda geben. Auch Porsche schränkt sein Angebot vorübergeh­end ein. Reibungslo­s verläuft die Umstellung auch bei BMW nicht. Der Autobauer rüstet nun seine Modelle serienmäßi­g mit dem Otto-PartikelFi­lter nach. So heißt es auf die BMW-7er-Modelle warten. Wie lange? Genaueres hört man dazu nicht.

„Entspannt ist die Situation nicht“, sagt etwa Michael Zinniel, VW-Händler in Wien. Von einer richtig dramatisch­en Situation will er aber auch nicht sprechen.

„Wir haben jetzt erhöhten Informatio­nsbedarf“, sagt Klaus Edelsbrunn­er, Vertreter der Fahrzeughä­ndler in der Wirtschaft­skammer und selbst Autohändle­r. „Man muss den Kunden erklären, warum es manche Motoren und Modelle nicht mehr gibt.“

Doch weil Edelsbrunn­er Optimist ist, sieht er auch das Gute an der Sache. Was bis zu den Kunden noch gar nicht so richtig durchgedru­ngen sei: „Wer jetzt kauft und bis August anmeldet, bekommt ein nach dem alten Zyklus NEFZ typisierte­s Auto. Was sich durchaus günstig auf die Normverbra­uchsabgabe (NoVA), die bis Ende 2019 nach dem NEFZ berechnet wird, auswirken könnte.“

Außerdem müssen die Händler die im alten Modus gemessenen Fahrzeuge losschlage­n, sagt Edelsbrunn­er: „Das heißt, es wird wieder vermehrt Tageszulas­sungen geben, die dann auch günstiger abgegeben werden.“

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Was früher unter Schönwette­rbedingung­en im Labor gemessen wurde, weicht einer realistisc­heren Betrachtun­gsweise. Der Kunde soll zunehmend das bekommen, was im Prospekt steht.

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