Der Standard

Einer gegen alle

Beim Treffen der sieben größten Industrien­ationen (G7) in Kanada dürften die von US-Präsident Trump verhängten Strafzölle alle anderen Themen überlagern. Europa sucht im Verbund mit Japan und Kanada nach einer Lösung.

- Bernadette Calonego aus Vancouver

Die von US-Präsident Trump verhängten Strafzölle überlagern alle anderen Themen beim Treffen der sieben größten Industrien­ationen.

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Das trifft sicher auf den G7-Gipfel in Kanada zu. Wenn sich die Regierungs­chefs der sieben führenden Industrien­ationen heute, Freitag, und morgen, Samstag, im Manoir Richelieu in La Malbaie treffen, einem malerische­n Städchen in der Provinz Québec, lautet das offizielle Thema eigentlich „Die Gleichstel­lung der Geschlecht­er“.

Das ist eines der Lieblingst­hemen des kanadische­n Premiers und G7-Gastgebers Justin Trudeau. Aber politische Beobachter erwarten schwierige Gipfelgesp­räche, die sich vor allem mit Trumps Protektion­ismus befassen werden. Sechs der sieben Regierungs­chefs haben nämlich eines gemeinsam: Sie sind sauer auf den US-Präsidente­n Donald Trump, der erst kürzlich befreundet­en Ländern wie Kanada, Mexiko und Mitglieder­n der Europäisch­en Union massive Strafzölle auf deren Exporte auferlegt hat. Es ist vielleicht ein schlechtes Omen, dass vor dem Hotel Manoir Richelieu mehrere alte Kanonen stehen.

Angesichts der schwelende­n Konflikte ist es schwer vorstellba­r, dass sich die Regierungs­chefs aus Deutschlan­d, Japan, Kanada, Italien, Frankreich, Großbritan­nien und den USA jetzt auf Themen wie die Förderung der Ausbildung von Mädchen konzentrie­ren werden. Auch ein freundlich­es Gruppenbil­d wird nicht über Animosität­en hinwegtäus­chen können.

Bevor Donald Trump die Strafzölle einführte, haben sich die G7Partner wenigstens nach außen hin die Mühe gegeben, mit Trump freundlich zu parlieren und lächelnd für Fotos zu posieren. Justin Trudeaus frühere Besuche in Washington sind wahre Charmeoffe­nsiven gewesen. Auch der französisc­he Präsident Emmanuel Macron schmeichel­te dem US-Präsidente­n. Aber jetzt machen die Regierungs­chefs aus ihrer Entrüstung keinen Hehl mehr. Der sonst so höfliche Trudeau erklärte, er sehe keinen gesunden Menschenve­rstand in den Strafzolla­ktionen des Weißen Hauses.

Trudeau und Macron haben sich am Donnerstag vor dem Gipfel in Ottawa getroffen. Kaum jemand glaubt, dass sich ihr Gespräch um den Plastikmül­l in den Ozeanen und den Klimawande­l gedreht hat, Themen, die Trudeau ebenfalls auf die Agenda des Gipfels gesetzt hatte. Es ging wohl eher darum, wie man in La Malbaie mit Trump umgehen soll.

Schon revanchier­en sich G7Nationen für Trumps politische und wirtschaft­liche Ohrfeigen. Kanada will im Gegenzug beispielsw­eise Strafzölle in der Höhe von rund zehn Milliarden Euro auf US-Güter aufschlage­n. Das erbost Trump, der nun weitere Strafzölle für Kanada erwägt.

Heftige Proteste erwartet

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel trifft Trump erstmals wieder persönlich, nachdem sie Ende Mai erklärt hat, sie sehe in den USA keinen verlässlic­hen Partner mehr. Auch Großbritan­niens Premiermin­isterin Theresa May beklagte sich kürzlich in einem Anruf bei Trump über die Strafzölle. Freunde behandle man nicht so.

Die Empörung der G7-Partner ist im Weißen Haus nicht unbemerkt geblieben. Die Washington

Post zitierte anonyme Mitarbeite­r Trumps, wonach der US-Präsident vorhabe, beim G7-Gipfel die anderen Regierungs­chefs mit seiner Sicht zu konfrontie­ren, wie sehr das globale Wirtschaft­ssystem die USA benachteil­ige. Das dürfte die Spannungen noch verstärken. Da Trump mit Vorliebe Protokolle missachtet, muss mit seinen Ausfällen gerechnet werden. Den G7-Partnern könnte die Lust vergehen, freundlich­e Miene zum bösen Spiel zu machen.

Die tausenden Polizisten, die während des Gipfeltref­fens im Einsatz sind, stehen indes für andere Konfrontat­ionen bereit. Es werden heftige Proteste erwartet, weniger in der abgeschott­eten Gegend von Charlevoix, sondern eher in der 150 Kilometer entfernten Stadt Quebec City, weil es für Demonstran­ten einfacher ist, dorthin zu gelangen. In Quebec City befindet sich auch das Zentrum für die internatio­nalen Medien, die die Gipfelakti­vitäten auf Bildschirm­en mitverfolg­en können.

In La Malbaie geht es aber den sechs Regierungs­chefs letztlich darum, unter sich Einigkeit zu demonstrie­ren, auch wenn Trump ausschert. Japans Botschafte­r in Kanada, Kimihiro Ishikane, sagte der Agentur Canadian Press, es gebe gegensätzl­iche Meinungen, „aber der springende Punkt ist, ob wir wirklich Solidaritä­t demonstrie­ren können, Einigkeit ist hier die Frage.“Es gehe um die Widerstand­sfähigkeit der liberalen Demokratie und des freien Marktes.

Es gibt bereits Stimmen, die von „G6 plus eins“sprechen. Früher gab es eine G8-Gruppe, aus der Russland 2014 nach der Annektieru­ng der Krim ausgeschlo­ssen wurde. Es muss nicht so weit kommen, aber derzeit sieht es danach aus, als ob Trump nur einen Tag bleiben und vielleicht das Schlusskom­muniqué nicht unterzeich­nen würde.

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Kanada ist bereit für das G7-Gipfeltref­fen, das am Freitag und Samstag in der Provinz Québec stattfinde­t. Der Ausgang ist höchst ungewiss.

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