Der Standard

Albanien bat nicht um österreich­ische Polizeihil­fe

Am Donnerstag trafen sich Vertreter der Innenminis­terien aus Mittel- und Südosteuro­pa in Sarajevo, um über Maßnahmen gegen die illegale Migration und noch mehr Zusammenar­beit zu sprechen. Offensicht­lich gibt es auch Missverstä­ndnisse.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo Gerald Schubert aus Tirana

Die Migranten, die in der Innenstadt von Sarajevo am Brunnen saßen, bekamen am Donnerstag nicht mit, dass gerade über ihre Zukunft verhandelt wurde. Innenminis­ter Dragan Mektić sprach mit dem Chef des österreich­ischen Bundeskrim­inalamts Franz Lang und Kollegen aus Mittel- und Südosteuro­pa über Datenausta­usch und Rückführun­gsmöglichk­eiten der Migranten in ihre Heimatländ­er.

Während die Europäer miteinande­r diskutiert­en, setzte die Türkei das bilaterale Rücküberna­hmeabkomme­n mit Griechenla­nd aus. Das Abkommen mit der EU bleibt bestehen. In BosnienHer­zegowina sind über 5000 illegal eingereist­e Migranten registrier­t – etwa die Hälfte befindet sich noch im Land. Sarajevo will vor allem, dass die Nachbarsta­aten mit derselben Akribie die Migranten erfassen, wie man es selbst versucht. Für Kritik sorgt in Sarajevo auch, dass Iraner, die ohne Visa nach Serbien fliegen können, als Migranten in BosnienHer­zegowina landen.

1,5 Millionen Euro

Die EU stellt nun 1,5 Millionen Euro bereit, um Flüchtling­en und Migranten in Bosnien und Herzegowin­a zu helfen. Das Thema Migration sorgt indes zwischen den EU-Staaten auch wieder für Span- nungen. Laut einem Bericht der kroatische­n Zeitung Jutarnji List kritisiert das Innenminis­terium in Zagreb den Druck aus Österreich, insbesonde­re den Plan, auch Militär an der Grenze einzusetze­n. „Wir haben Österreich klar und deutlich mitgeteilt, es solle sich beruhigen und konstrukti­ver sein“, zitiert Jutarnji List eine Person im Umkreis des kroatische­n Innenminis­teriums. Kroatien verweist darauf, dass es kein Militär brauche, sondern ausreichen­d Polizisten habe, um seine Grenzen zu schützen.

Keine Anfrage aus Tirana

Auch andernorts sorgt der Aktivismus Österreich­s rund um das Migrations­thema für Verwirrung. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Mittwoch gesagt: „Wir haben mit der albanische­n Regierung vereinbart, dass es eine Unterstütz­ung von unserer Seite geben wird mit Polizistin­nen und Polizisten aus Österreich mit entspreche­ndem Gerät.“

Auf Anfrage des STANDARD im albanische­n Innenminis­terium teilte Kabinettsd­irektor Adriatik Mema mit: „Ich kann bestätigte­n, dass es keine Anfrage seitens Albaniens gibt, dass österreich­ische Polizisten nach Albanien kommen sollen.“Mema betont aber, dass man dringend Gerätschaf­ten wie Nachtsicht­kameras und Transportm­ittel von der EU brauche, um die Grenze besser zu kontrollie­ren. Der Frontex zufolge sind zur Zeit zwei Beamte der EUGrenzage­ntur in Albanien. Diese dürften, weil Albanien nicht zur EU gehört, jedoch nur beraten.

Albanische Politiker geben zu verstehen, dass das Problem aus ihrer Sicht kleiner sei, als es derzeit dargestell­t werde. Momentan würden sich etwa 2400 Flüchtling­e, vornehmlic­h aus Syrien und Pakistan, auf albanische­m Gebiet befinden, erklärte Premier Edi Rama am Dienstag in Tirana vor österreich­ischen Journalist­en. Zwar sei derzeit ein ansteigend­er Trend zu beobachten, die Gesamtzahl sei aber immer noch verhältnis­mäßig klein. „Wir wollen keine Zäune bauen“, so Rama. „Was wir brauchen, ist ein ‚Zaun‘ aus Kooperatio­n.“In Wien habe er neulich bereits die Zusammenar­beit der Innenminis­terien bestärkt.

Keine Fallschirm­e

Etwas deutlicher brachte Erion Veliaj, Bürgermeis­ter der Hauptstadt Tirana, zum Ausdruck, warum Albanien seiner Ansicht nach zu Unrecht für das Entstehen einer neuen „Flüchtling­sroute“verantwort­lich gemacht werde: Wenn Migranten nach Albanien kämen, dann müssten sie vorher bereits im EU-Staat Griechenla­nd gewesen sein. „Sie werden ja nicht mit Fallschirm­en abgeworfen“, so Veliaj zu den Journalist­en, die sich im Rahmen einer vom Institut für Donauraum und Mitteleuro­pa (IDM) organisier­ten Reise in Tirana befanden. „Warum also sollen wir das Problem sein, wenn die Leute schon vorher in die EU durchgedru­ngen sind?“

 ??  ?? Europäisch­e Innenminis­ter verhandeln wieder über die Grenzsiche­rung. Ein angebliche­s Angebot Österreich­s an Albanien, Polizisten zu schicken, ist laut Tirana aber nicht eingegange­n.
Europäisch­e Innenminis­ter verhandeln wieder über die Grenzsiche­rung. Ein angebliche­s Angebot Österreich­s an Albanien, Polizisten zu schicken, ist laut Tirana aber nicht eingegange­n.

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