Die neue Beweglichkeit der Medien
Auf Wunsch des Medienministers entdecken Österreichs Verlage und Sender Gemeinsamkeiten. Weniger wunschgemäß mahnt der internationale TV-Boss Gerhard Zeiler, Gebühr und Unabhängigkeit des ORF zu erhalten.
Zufrieden schmunzelte Medienminister Gernot Blümel zur Eröffnung, was eine Medienenquete bewirken kann, noch bevor sie begonnen hat. So viel diskutiert, so viele Bücher und Konzepte wurden geschrieben, und Blümel erkennt auch „da und dort neue Beweglichkeit“. Bewegung in Blümels Wunschrichtung: „Wir brauchen ein neues Miteinander.“Miteinander österreichischer Medien gegen die internationalen Riesen Google und Facebook, die den digitalen Medienund Werbemarkt beherrschen.
Verleger und Sender, ORF inklusive, bereiten etwa ein gemeinsames Login vor. Wie sich Userinnen und User bei Facebook oder Chrome/Gmail anmelden und für ihren Zugang der Nutzung ihrer Daten zustimmen, soll es ein Login für die Nutzung von Medienseiten geben, auch mit Okay zur Datennutzung.
RTL, ProSiebenSat1 und United Internet haben eine solche Plattform schon mit NetID entwickelt. Organisiert als Stiftung, damit das Projekt nicht wie einige Medienallianzen zuvor am deutschen Kartellamt scheitert. In einer Login-Allianz wie Net-ID sähe Theodor Thanner, Chef der Wiener Wettbewerbsbehörde auch in Österreich kein Problem. Thanner zeigt längst auch schon die „neue Beweglichkeit“: Das sei „durchaus wettbewerbsfördernd, wenn man sich die anderen Giganten anschaut“. In der digitalen Welt sei Kartellrecht „neu zu denken“.
Entgrenzte Medienwelt
Etwa bei der Abgrenzung des Marktes: „Die digitale Welt macht nicht am Walserberg halt“, sagt Thanner, „wir müssen die Märkte neu denken.“Also überregional und etwa in Sprachräumen.
Mit der Perspektive geht sich eine Onlinewerbevermarktung privater österreichischer Medienhäuser und des ORF schon leichter aus als mit Blick auf Österreich. An einer solchen Vermarktung arbeiten Verlage und Sender ebenfalls schon. Aber bei aller Beweglichkeit hat Thanner da noch ein paar Bedingungen: Transparenz, keine Einheitspreise etwa.
Eine Social-Media-Plattform österreichischer Medien, wie sie etwa Markus Breitenecker und Corinna Milborn von ProSiebenSat1Puls4 vorschlagen, kann sich Thanner vorstellen; einen Videoplayer, wie ihn der ORF gerade nach dem Vorbild des BBC-iPlayers vorschlug, gern auf einer Plattform mit Privaten, „eher nicht“.
Eine Vermarktungsplattform für Videoinhalte gibt es, organisiert über die APA. Der Monatswerbeumsatz enttäuscht etwa Niki Fellner – er beziffert ihn mit 10.000 Euro für alle 16 teilnehmenden Medienhäuser.
„Das ist der Beginn eines Projekts“, hält ORF-Onlinechef Thomas Prantner dagegen. Es beliefere immerhin „zu einem Spottpreis“44 Portale mit Videos. Eine Beteiligung am bisher rein privaten Radioplayer Austria schließt Prantner nicht mehr aus. Und just zur Enquete verordnete der ORF, seine Facebook-Präsenzen auf ein Fünftel zusammenzustreichen. Prantner erklärt das mit: weniger Material auf US-Plattformen, die damit Werbegeld verdienen. Einen Youtube-Kanal verbot die Medienbehörde dem ORF gerade.
Gerhard Zeiler, Chef der globalen TV-Gruppe Turner und davor von ORF und RTL, findet das Youtube-Verbot „schlichtweg absurd“– wie auch das Verbot eigener Inhalte allein für mobile Angebote. Zeiler kam mit einer langen Todo-Liste für die Medienpolitik und den ORF zur Medienenquete.
„Keine Diskussion“darf es laut Zeiler über die Gebühren des ORF geben – unter der Bedingung von Effizienz und Sparsamkeit. Bud- getfinanzierung sei mit der wichtigsten Aufgabe des öffentlichrechtlichen Rundfunks unvereinbar: journalistischer Unabhängigkeit, ja „Unbequemheit gegenüber der Politik“.
„Dann ist man Staatsfunk“
„Mut“verlangt Zeiler vom ORFManagement gegenüber der Politik: „Ohne diesen Mut nimmt sich der Rundfunk das Recht, sich öffentlich-rechtlich zu nennen. Dann ist man Staatsfunk.“
Springer-Chef Mathias Doepfner kam mit Begeisterung für Österreichs Regierung und Wünschen an Europaminister Blümel: Den „Wahnsinn“weiter verschärfte Cookie-Regeln zu verhindern, die Facebook und Co begünstigten. Und EU-Inhaltsrechte für Medienhäuser gegenüber digitalen Riesen zu beschließen.
Den Livestream von der Konferenz produziert ORF 3. Im neuen Miteinander bekommt ATV 2 das Signal gratis vom ORF. Freitag geht es weiter. Im Herbst sollen neue Gesetze folgen – insbesondere für den ORF.