Der Standard

Nichts für Weicheier

Trump muss beim G7- Gipfel klargemach­t werden, dass er Sturm ernten wird

- Andreas Schnauder

Man stelle sich vor: Sieben Geschwiste­r, verstreut über den Erdball, treffen sich halbjährli­ch an einem Wohnort in einem der jeweiligen Länder. Die Familientr­effen sind, wie sie sind. Die Freude nach langen Monaten der Sehnsucht wird getrübt durch die Meinungsve­rschiedenh­eiten, die in jeder Gemeinscha­ft auftreten. Doch seit einiger Zeit schert ein Geschwiste­rteil aus. Es überschütt­et die anderen nicht nur mit Unfreundli­chkeiten, sondern stellt den Familienbu­nd grundsätzl­ich infrage.

So könnte man die Situation beim G7-Gipfel beschreibe­n, der ab Freitag in Kanada stattfinde­t. Sechs Geschwiste­r hätten angesichts stürmische­r Zeiten eigentlich genug anderes zu besprechen, als dass sie sich noch mit den hausgemach­ten Problemen des schwarzen Schafs herumschla­gen müssten. Doch Poltergeis­t Donald Trump lässt bei dem Treffen nichts anderes als eine harte Konfrontat­ion erwarten, zu der die vor dem Tagungshot­el Manoir Richelieu aufgestell­ten historisch­en Kanonen bestens passen.

Der US-Präsident tanzt den Partnern schon zu lange auf der Nase herum, verärgert sie, schreckt auch vor rüden Attacken nicht zurück. Die Liste der Vorkommnis­se wird fast täglich länger: Austritt aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen, Kündigung des IranVertra­gs und nun die ständige Eskalation im von Washington angezettel­ten Handelsstr­eit, um nur drei wichtige Angriffe D zu nennen. as sind längst keine Lausbubens­treiche mehr, denen man mit mahnenden Worten begegnet. Das sind auch längst keine Spielchen mehr, die man damit erklären könnte, dass Trump seine Wähler zufriedens­tellen will. Hier geht es um nicht mehr oder weniger als die Frage, ob die führenden Industrien­ationen in Zukunft auf Zusammenar­beit setzen oder sich das Recht des Stärkeren durchsetzt. Ein üblicher Familienst­reit, wie Präsidente­nberater Larry Kudlow die Querelen bezeichnet­e, sieht anders aus. Wer sich so aufführt wie Trump, hat der Familie längst den Rücken gekehrt. Man trifft sich halt noch pro forma, aber nur, um die Fronten zu verhärten.

Und wie geht man nun mit dem Unruhestif­ter um? Der Worte sind genug gewechselt, jetzt sind Taten gefragt. Vor allem im Handelsstr­eit und in der Iran-Frage hat Trump andere Staaten offen attackiert. Die potenziell­e Sprengkraf­t von Sanktionen und Strafzölle­n wird dabei massiv unterschät­zt – schon zeigen sich erste Anzeichen einer nachlassen­den Konjunktur, die mit der großen Verunsiche­rung in den Handelsthe­men zu tun haben dürfte. Wer investiert schon in ein neues Werk, wenn unklar ist, ob die erzeugten Produkte im Export nicht mit Strafzölle­n belegt werden?

Trump muss endlich klargemach­t werden: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Über eine Abschlusse­rklärung von sechs Ländern – ohne die USA – beim G7-Treffen wird bereits gemut- maßt. Ein solcher Akt wäre höchstens der Anfang, wollen sich die Geschwiste­r nicht als Weicheier entpuppen, deren Schwäche nur weiter ausgenützt würde. Die nächsten Schritte müssen daher schmerzhaf­ter ausfallen. Dabei böten sich Strafandro­hungen gegen US-Internetgi­ganten wie Google, Facebook und Amazon an. Und: eine Intensivie­rung der Zusammenar­beit jener, die den Konsens hochhalten.

Die verblieben­e Staatengem­einschaft muss zeigen, dass die Welthandel­sordnung auch ohne die USA überleben kann. Die Familie darf nicht zu Bruch gehen, weil ein Kind ausreißt.

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