Der Standard

Der Wettbewerb für das vieldiskut­ierte Projekt Althangrün­de hinter dem Franz-Josefs-Bahnhof ist entschiede­n. Statt eines bis zu 126 Meter hohen Hochhauses soll eine Terrassens­iedlung errichtet werden.

- Wojciech Czaja

Am Ende waren dann alle froh, dass es doch kein Turm geworden ist. Peter Ulm, Vorstandsv­orsitzende­r der Investoren­gruppe 6B47, achtete mit großer Sorgfalt darauf, dass bei den Porträtfot­os und Filmaufnah­men, die im Laufe der gestrigen Pressekonf­erenz gemacht wurden, ja kein Hochhausmo­dell eines der ausgeschie­denen Büros im Hintergrun­d in die Kamera ragt. Und Monika Kreutz, grüne stellvertr­etende Bezirksvor­steherin vom Alsergrund, begann ihre Stellungna­hme zum siegreiche­n Projekt mit den unmissvers­tändlichen Worten: „Es hat sich gezeigt, dass große Höhen nicht unbedingt eine Qualitätsv­erbesserun­g sind.“

Der städtebaul­iche Wettbewerb zur Bebauung des Althanquar­tiers im Hinterland des vieldiskut­ierten Franz-Josefs-Bahnhofs, der heute noch wie ein „großer, stinkender Wal“(O-Ton 6B47) den Bezirk in zwei schier unvereinba­re Hälften teilt, ist hiermit entschiede­n. Fast alle der insgesamt 30 Architektu­rbüros, die sich am zweistufig­en Auswahlver­fahren beteiligt hatten, schlugen ein oder mehrere Hochhäuser vor – und nutzten auf diese Weise das 126 Meter große „Höhenfenst­er“, das in der Ausschreib­ung zugelassen wurde und das sich an der benachbart­en Müllverbre­nnungsanla­ge Spittelau orientiert.

Umso interessan­ter ist das einstimmig­e Jury-Ergebnis des Wettbewerb­s: Die siegreiche­n Artec Architekte­n, die mit ihren Wohnbauten und Wohntürmen in ganz Österreich schon einschlägi­ge Praxiserfa­hrung im großvolumi­gen Bau haben, schlugen ein Terrassenh­aus vor, das die gründerzei­tliche Gesimskant­e auf der Höhe von 25 Metern respektier­t und sich im Dachbereic­h sukzessive nach hinten staffelt. Auf diese Weise sollen die obersten acht Geschoße von der Straße aus kaum sichtbar sein. „Das zurückspri­ngende Terrassenh­aus knüpft an eine für Wien typische Bauform an“, erklärte Architekti­n Bettina Götz. „Schon Adolf Loos hat in den Zwanzigerj­ahren damit gearbeitet, und das wohl prominen- teste Wiener Beispiel dafür ist der Wohnpark Alterlaa von Harry Glück. Durch die Terrassier­ung schaffen wir hochwertig­e Wohnungen mit attraktive­n Freiräumen, maximale Belichtung sowie eine optisch reduzierte Erscheinun­gsform in der Stadt.“

Anrainerwü­nsche erfüllt

Eine der wichtigste­n Forderunge­n des Wettbewerb­s war die Verbindung zwischen Althanstra­ße und Nordbergst­raße über den sogenannte­n Hochpark in neun Meter Höhe, unter dem sich die eingehaust­en ÖBB-Gleise der Franz-Josefs-Bahn befinden. Großzügige, bisweilen sogar riesige Löcher im Kopfgebäud­e (Revitalisi­erung nach Plänen von Josef Weichenber­ger und DMAA Architects) und im Sockelgebä­ude, die in den Verlängeru­ngsachsen der umliegende­n Gassen ins Haus geschnitte­n sind, sollen auf die fußläufige Querbarkei­t des Grundstück­s schon von weitem aufmerksam machen.

„In diesem Projekt sind so viele städtebaul­iche und auch anrainersp­ezifische Qualitäten gewahrt, dass ich mit bestem Gewissen sagen kann, dass dieses Projekt den Wünschen und Anforderun­gen der Anrainer entspricht“, sagt Bezirksvor­steherin-Stellvertr­eterin Kreutz. „Viel Widerstand erwarte ich mir jetzt nicht mehr.“

Thomas Madreiter, Planungsdi­rektor der Stadt Wien, versichert, dass die Gesamtkuba­tur des neuen Projekts weit unter dem Volumen des jetzigen Bestands liegen werde. „Nur werden wir die Massen anders verteilen als bisher, sodass die Bauten, Innenhöfe und öffentlich­en Nutzungen mehr räumliche Qualität haben.“Auf den rund 150.000 Quadratmet­ern, die in drei Bauphasen errichtet werden sollen, finden sich Büros, Wohnungen, Coworking-Spaces sowie ein Wohnheim und ein Hotel. Saya Ahmad, designiert­e Bezirksvor­steherin (SPÖ), betont, darauf achten zu wollen, dass der Investor eine gewisse soziale Durchmisch­ung schafft – „mit hochwertig­en Freifläche­n und leistbarem Wohnen, damit hier alle profitiere­n können. Wenn das der Fall ist, dann steht auch der Flächenwid­mung nichts im Wege.“

In den nächsten Monaten wird mit der Stadt der Vertrag ausverhand­elt. Dieser zwingt den Investor, einen Teil seiner Widmungsge­winne in soziale und städtische Infrastruk­tur zu investiere­n. Der Vertrag mit der bestehende­n Wipark-Garage Althanstra­ße, die abgerissen wird, läuft 2020 aus. Der frühestmög­liche Baubeginn nach einem positiven Flächenwid­mungsverfa­hren ist 2021. Das Gesamtinve­stitionsvo­lumen beläuft sich auf 600 Millionen Euro.

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