Der Standard

Tanz der Männer( bilder) mit Cheerleade­r-Puschel

„Die wunderbare Zerstörung des Mannes“: Das Aktionsthe­ater Ensemble erforscht – allzu simpel – Männerbild­er

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Es gehört zu den Vorzügen von Martin Grubers Aktionsthe­ater Ensemble, dass es stets den richtigen Riecher hat für Themen der unmittelba­ren Gegenwart. Religiosit­ät und die damit verbundene­n Konflikte waren im Vorjahr Kern des Stücks Ich glaube; die entsolidar­isierte Gesellscha­ft stand in Jeder gegen jeden im Zentrum; und um Angst ging es in 3 Sekunden. Mit sich wandelnden Männerroll­en und -klischees befasst sich die jüngste Arbeit, die derzeit im Kosmosthea­ter Wien gastiert. Sie trägt den provokante­n Titel Die wunderbare Zerstörung des Mannes.

Dieser Ansage wollten viele Menschen sämtlicher Geschlecht­er beiwohnen, der Saal war zum Bersten voll. Die auf Theatern generell häufiger werdenden Stückentwi­cklungen hat Martin Gruber schon längst perfektion­iert. Nur dieses Mal gelingt das leider nicht. Die Erörterung von Männlichke­itsbildern in einer bewegten Welt, in der sich sowohl Patriarche­n als auch Bewegungen wie #MeToo durchsetze­n, bleibt so simpel wie oberflächl­ich.

Sechs Männer in weißer Feinrippwä­sche unternehme­n zu mechanisch­en Choreograf­ien eine Selbstbefr­agung. So ähnlich wie Yael Ronen mit biografisc­hem Material ihrer Schauspiel­er arbeitet, verwendet auch Gruber im Team Recherchie­rtes. Vor allem aber lagen der Arbeit, die Ende Mai bereits beim Bregenzer Frühling Uraufführu­ng hatte, Analysedat­en einer großen Umfrage zu Männerroll­enbildern zugrunde.

Die „persönlich­en“Bekenntnis­se von Sascha, Thomas, Peter, Andreas, Fabian und Benjamin enthalten zwar jedes für sich emphatisch­e Kraft, doch fehlt dem Abend eine dramaturgi­sche Drehung. Denn die bloße Anhäufung von Männerklis­chees (sich wichtig nehmen; der schnelle Fick) samt ihrer Infrageste­llung (ich will ein Kind, Cheerleade­r-Puschel) ist trotz der Kürze von 80 Minuten zu eindimensi­onal.

Es obliegt dann – und selbst das ist ein Klischee für sich – dem einzigen schwulen Mann der Runde, Benjamin, den Widerpart einzunehme­n. Im genervten Tonfall resümiert er immer wieder bitterböse: „Und warum erzählst du uns das jetzt?!“Eine berechtigt­e Frage, die als Selbstvert­eidigung gedacht ist, aber auch offenbart, dass es sich Martin Gruber hier doch zu leicht gemacht hat.

So fantastisc­h der Livegesang von Nadine Abado die forschende Not des Abends in Musik übersetzte, so rätselhaft blieben auch die Videobilde­r von Claudia Virginia: Rottweiler, überblende­t mit blutenden Schmetterl­ingen. Bis 17. 6.

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