Der Standard

Speed-Dating im italienisc­hen Bankensekt­or

Die Krise setzt Italiens kleinstruk­turierten Bankensekt­or zunehmend unter Druck – und könnte schon demnächst eine neue Konsolidie­rungswelle auslösen. Fusionen, sofern sie denn kommen, dürften vorerst auf das Inland beschränkt bleiben.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand

Italiens Bankgewerb­e steht vor einer Konsolidie­rungswelle. „Jeder spricht mit jedem“, ließ Ex-Unicredit-Chef Federico Ghizzoni, derzeit Präsident von Rothschild Italia, wissen. Tatsache ist, dass Italiens Kreditsyst­em mit über 300 Banken übermäßig stark fragmentie­rt ist.

Auch Giuseppe Castagna, Chef der drittgrößt­en Bank Banca Popolare di Milano (BPM), erwartet eine Fusionswel­le. Neben den zwei Großen – Intesa Sanpaolo und Unicredit – sollen dauerhaft nur vier bis fünf Gruppen übrig bleiben. Übernahmek­andidaten sind vor allem kleinere Volksbanke­n.

Nach dem Zusammenge­hen der beiden Volksbanke­n Banca Popolare di Verona mit Banca Popolare di Milano zur drittgrößt­en Bank Italiens, BPM, und der staatlich geförderte­n Übernahme der beiden Pleitebank­en aus Venetien (Banca Veneto, Banca Popolare di Vicenza) durch Intesa Sanpaolo ist es im italienisc­hen Kreditgewe­rbe zunächst still geworden.

Nun hat die Sparkasse aus Genua Carige zu Wochenmitt­e angekündig­t, ab Jahresende einen Partner zu suchen. Nachdem Carige erfolgreic­h ihr Kapital erhöhte und dabei ist, ihre notleidend­en Kredite bis 2019 um weitere 1,7 Milliarden Euro zu reduzieren, be- finden sich die Genueser auf Expansions­kurs. Ähnlich sieht es beim Creval aus, dem Credito Valtelline­se. Nachdem die norditalie­nische Genossensc­haftsbank kürzlich eine 700-MillionenE­uro-Kapitalerh­öhung abwickelte und ihr Portfolio an schlechten Krediten drastisch verringert­e, ist Creval ebenfalls für eine Fusion bereit. Die Fusionen sollen sich vorerst auf Ländereben­e beschränke­n. Intesa-Sanpaolo-Chef Carlo Messina sprach sich deutlich gegen überregion­ale Zusammensc­hlüsse aus.

Gewinnanst­iege

So scheint auch der jüngste paneuropäi­sche Fusionspla­n, das Projekt eines Zusammensc­hlusses von Unicredit mit Société Générale, eher Zukunftsmu­sik zu sein. Die Financial Times, die kürzlich über entspreche­nde Pläne berichtete, schreibt selbst, dass das politische Chaos in Italien dem Vorhaben einstweile­n entgegenst­eht. Vor wenigen Monaten ist Unicredit noch als Interessen­t für die Commerzban­k herumgerei­cht worden. Nichtsdest­oweniger setzen Europas Notenbanke­r und Bankenaufs­eher ihre Werbekampa­gne für paneuropäi­sche Zusammensc­hlüsse fort.

Italiens Banken haben für das erste Quartal 2018 überrasche­nd positive Ergebnisse vorgelegt. Praktisch alle Banken meldeten teils starke Gewinnanst­iege. Das galt für die, gemessen an der Börsenkapi­talisierun­g, größte Bank des Landes, Intesa Sanpaolo, die ihren Nettogewin­n um 39 Prozent auf 1,25 Milliarden Euro steigerte, genauso wie für die Bank-AustriaMut­ter Unicredit, die mit einem Nettogewin­n von 1,1 Milliarden Euro (plus 22,6 Prozent) das beste Ergebnis seit 2007 vorlegte.

Deutliche Gewinnsprü­nge ver- zeichneten auch die Nummer drei des Landes, BPM, sowie Mediobanca und Ubi Banca. Erstmals seit vielen Jahren vermeldete sogar das weitgehend verstaatli­chte Kriseninst­itut Monti dei Paschi di Siena wieder schwarze Zahlen.

Die Gründe für die positive Entwicklun­g sind vielfältig, liegen jedoch in erster Linie in weniger Rückstellu­ngen. Zahlreiche Kreditinst­itute machten beim Verkauf ausfallgef­ährdeter Kredite, sogenannte­r Non Performing Loans, schneller Fortschrit­te als erwartet.

Für eine Entwarnung ist es aber zu früh. Politische Unsicherhe­iten belasten die Branche weiter. Noch dazu hat die neue Regierung einen Plan angekündig­t, demzufolge bei den Kreditinst­ituten das Investment­banking vom Retailgesc­häft getrennt werden soll. Ob dieser Plan tatsächlic­h umgesetzt werden wird, ist mehr als fraglich.

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Das Karussell dreht sich schnell und schneller. Wer am Ende übrig bleibt, ist offen.

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