Der Standard

Am besten lacht man über tote Tiere

Nachhilfe in Sachen böse Gags und dem Leben dienliche Dummheit: Monty-Python-Star John Cleese besuchte mit seiner Soloshow „Last time to see me before I die“die Wiener Stadthalle.

- Dominik Kamalzadeh

Die Frage, was dieser „steinalte britische Komiker“auf der Bühne der Stadthalle verloren hat, wie John Cleese selbstiron­isch anmerkt, ist natürlich unberechti­gt. Und der Titel der aktuellen Show des Monty-Python-Mitglieds, Last time to see me before I die, zum Glück auch nur ein Beispiel für entwaffnen­den Sarkasmus. Der 78-Jährige wirkt erfreulich robust, ja quietschfi­del. Manchmal hängt ihm im Überschwan­g der Bauch aus dem Hemd. Er sei aus pekuniärer Not hier, verrät er die Motive für die Tour, um dann ein Bild seiner Exfrau einzublend­en – wie sie beim Bankomaten steht und fleißig Geld abhebt.

Letzterer Gag ist vermutlich sogar wahr. Man erinnert sich an den Rosenkrieg mit seiner dritten Frau Alyce Faye Eichelberg­er, der mit einem denkwürdig­en Geständnis geendet hat: „Das letzte Mal, dass ich für Sex gezahlt habe, hat es mich 20 Millionen Dollar gekostet.“Cleese hält sich dann aber nicht lange mit Privatem auf. Er weiß, dass sein Publikum aus anderen Gründen gekommen ist. Nennen wir es Rendezvous mit einer Legende: Ein bisschen Nostalgie darf sein, wenn sie als anarchisch-unverschäm­ter Witzecockt­ail gereicht wird.

Die erste Hälfte des Abends steht so im Zeichen der Reminiszen­z. Mit der Knorrigkei­t eines Langzeitpu­bsitzers bewahrt Cleese ihn davor, zu sentimenta­l zu werden. Ein wenig ist es so, als treffe man einen leicht verrückten Onkel nach langer Zeit endlich wieder. Der erzählt dann etwa davon, wie er mit fünf Mitstreite­rn beim BBC-Comedy-Chef 1969 wegen einer Sendung vorsprach. „Nicht die geringste Idee“hätten die späteren Monty Pythons da- von gehabt, worum es darin gehen sollte – dumme, absurde Witze, das war das einzige Konzept.

„Go away and make 13 programmes“, lautete dann zur eigenen Überraschu­ng der Auftrag. Wer weiß, was der Mann in den jungen Männern sah, die teilweise in Oxford studiert hatten. Der Rest ist Geschichte. Und zwar in mehrfachem Sinne, denn solcher Mut zum Experiment ist nicht nur aus TV-Anstalten längst ausgezogen. Cleese komprimier­t solche Anekdoten zu einem Stück Mediengesc­hichte. In einem zugespielt­en Sketch verkörpert er einen steifen Anchorman, dem die „News“ wortwörtli­ch aus den Händen gestohlen werden.

Das war auch Teil des MontyPytho­n-Irrsinns: Sie sprengten Sehgewohnh­eiten und die biedere Zugeknöpft­heit des öffentlich­rechtliche­n Fernsehens. Eines der schönsten Kompliment­e, die Cleese je zu hören bekam, war das Geständnis eines Mannes, der nach Python-Konsum keine Nachrichte­n mehr anschauen konnte.

Nach der Pause widmete sich Cleese mehr dem Handwerk und der Kunst der richtigen Pointe. Was ist das überhaupt, ein guter Witz? Die Frage erscheint in Zeiten, wo staatsmänn­ische Realsatire auf politische (Über-)Korrekthei­t trifft, wieder delikat. Cleeses Antwort ist trotz grassieren­der Komikkrise eindeutig. Die besten Gags sind hundsgemei­n.

Rassistisc­he Witze

Was ist schwarz-weiß und kriecht auf dem Boden? Eine verletzte Nonne. Der platzende Fresssack samt projektilh­aftem Erbrechen (mächtig verkörpert von Terry Jones) war ein „Durchbruch in der Beleidigun­g von Menschen“. Das Töten von kleinen Tieren? Immer lustig (besonders: Yorkshire Terrier!). Und alles viel besser als eine Sitcom über Franz von Assisi.

Cleese gesteht auch sein Faible für Witze über Rassen und Kulturen ein. Ist das schon Altherrenh­umor? Er rechtferti­gt es britisch als „liebevolle Hänselei“– dafür benötigt es das liberale Einverstän­dnis darüber, dass wir alle Mängelexem­plare sind. Was Cleese mit seiner von Franzosen bis zu Juden sich steigernde­n Witzkaskad­e aber vor allem demonstrie­rt: Das richtige Timing hebt selbst müde Pointen noch in die Höh’. And now for something completely different.

 ??  ?? Keine Sorge, John Cleese erklärt an dieser Stelle nur einen Witz über eine alte Dame: In „Last time to see me before I die“erneuert er seine Liebe zu makabrem Humor.
Keine Sorge, John Cleese erklärt an dieser Stelle nur einen Witz über eine alte Dame: In „Last time to see me before I die“erneuert er seine Liebe zu makabrem Humor.

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