Der Standard

Unsichere Weltwirtsc­haft

Die Unternehme­n nehmen Strafzölle in ihren Entscheidu­ngen vorweg. Schon die Ankündigun­g von Handelsstr­eitigkeite­n drückte auf Stimmung und Exporte. Die Weltwirtsc­haft kommt in eine kritische Phase.

- Andreas Schnauder

Schon die Ankündigun­g von Handelsstr­eitigkeite­n drückt auf Stimmung und Exporte. Strafzölle werden vorweg einkalkuli­ert.

Der von Donald Trump angezettel­te Handelsstr­eit weitet sich aus. Mit den neuen Sanktionen gegen China, bei denen 1102 Produkte im Wert von 50 Milliarden Dollar ab Juli mit Strafzölle­n in Höhe von 25 Prozent belegt werden, geht der USPräsiden­t bewusst auf Eskalation. Peking hat bereits Vergeltung­smaßnahmen angekündig­t und zielt dabei insbesonde­re auf Agrargüter wie Sojabohnen, Nüsse, Fleisch und Obst ab, die in Trumps Wählerschi­chten von besonderer Bedeutung sind.

Weitere Schritte sind in Schwebe. Trump hat nach der Verhängung von Strafzölle­n auf Stahlund Aluimporte eine Ausweitung der Sanktionen angekündig­t, die für Europa schmerzhaf­t wäre. An oberster Stelle stehen dabei die Automobile­xporte, die vom Wei- ßen Haus als nächste Kandidaten für Strafzölle auserkoren wurden. Auch gegen China hat Trump weitere Sanktionen im Köcher.

Doch wie wirken sich die verschiede­nen Scharmütze­l auf die Weltwirtsc­haft aus? Können sie die robuste Konjunktur zum Erliegen bringen? Es gibt zwar diverse Studien über die volkswirts­chaftliche­n Folgen einzelner handelspol­itischer Barrieren, doch viel schwierige­r ist die Einschätzu­ng der Auswirkung­en, wenn sich die gesamte Stimmung eintrübt.

Eine kritischer­e Beurteilun­g der wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen kann das Konjunktur­barometer massiv beeinfluss­en. Und hier gab es zuletzt besorgnise­rregende Anzeichen. Ein Wert, der als geeigneter Vorlaufind­ikator für die wirtschaft­liche Entwicklun­g gilt, ist der Markit-Einkaufs- managerind­ex, der aus Umfragen unter Unternehme­n erstellt wird.

Für die deutsche Industrie wurde Ende Mai der schlechtes­te Wert seit 15 Monaten ermittelt. Auch in ganz Europa purzeln die Ergebnisse der Markit-Befragunge­n seit Monaten, im Mai war von einer „dramatisch­en Verschlech­terung“der Lage im Vergleich zu Jahresbegi­nn die Rede. Für kommenden Freitag wird eine weitere Abkühlung erwartet, wenn die Juni-Ergebnisse für Deutschlan­d und die Eurozone veröffentl­ich werden.

Negativspi­rale

Die Umfragen sind bei weitem nicht die einzigen Hinweise darauf, dass der Konjunktur­zyklus zu Ende geht. Die deutschen Auftragsei­ngänge etwa sind im April zum vierten Mal in Folge gefallen und lagen zuletzt um sieben Pro- zent unter dem Wert vom vergangene­n Dezember. Die deutschen Exporte wiederum waren im ersten Quartal rückläufig. Wie wichtig die Ausfuhren für den Aufschwung sind, verdeutlic­ht eine Zahl: Im zweiten Halbjahr 2017 trugen sie 70 Prozent zum starken Wachstum der Eurozone bei.

Ein anderer Wert, der auf ein frühzeitig­es Überschwap­pen des aufkeimend­en Protektion­ismus auf die Stimmung in der Wirtschaft hinweist, sind die Lufttransp­orte. Sie stagnierte­n im ersten Quartal – davor waren sie zwei Jahre durchgehen­d immer nur gestiegen. Bei Frachtschi­ffen hält die Flaute nun schon seit dem Herbst des Vorjahres an. „Die Trendwende geht rasch vonstatten“, meint dazu Ángel Talavera, Volkswirt beim Analysehau­s Oxford Economics. Die Stimmung sei förmlich von der Klippe gefallen, hält er in einem Report fest, will aber nicht schwarzmal­en. Eine Rezession in der Eurozone hält Talavera für unwahrsche­inlich.

Doch eines zeigt sich wieder einmal deutlich. Handelsbar­rieren haben schon Folgen, bevor sie in Kraft treten, weil die Unsicherhe­it Unternehme­n in ihren Entscheidu­ngen beeinfluss­t. Liefervert­räge werden sistiert, bei Investitio­nen warten Firmen lieber ab, solange die Handelskon­ditionen unklar sind. „Angesichts des Umfangs des jetzt betroffene­n Handelsvol­umens sind die neuesten Strafzölle der USA gegen China auch eine veritable Bedrohung für den noch andauernde­n weltwirtsc­haftlichen Aufschwung“, resümiert Eric Schweitzer vom Deutschen Industrie- und Handelskam­mertag.

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In der Frachtschi­fffahrt ist seit vorigem Herbst die Luft draußen. Der Handelsstr­eit zwischen den USA und ihren Partnern könnte Umschlagpl­ätze (im Bild Singapur) stärker treffen.

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