Der Standard

Transbalka­nisches Händereich­en am Prespasee

Die Außenminis­ter Griechenla­nds und Mazedonien­s unterzeich­neten am Sonntag im Beisein der beiden Regierungs­chefs das Abkommen zur Lösung des Namensstre­its. In Griechenla­nd stößt dieses allerdings auf massiven Widerstand, und in Mazedonien werden die notwe

- ANALYSE: Adelheid Wölfl

Sie trafen sich in Psarades, einem Dorf mit niedrigen, grauen Steinhäuse­rn am Prespasee, der sowohl zu Griechenla­nd als auch zu Mazedonien gehört, in einer Gegend, die noch ahnen lässt, wie groß die Sprachenvi­elfalt im Osmanische­n Reich war und wie selbstvers­tändlich es gewesen sein mag, sich auf verschiede­ne Art zu unterhalte­n. Hier wird Griechisch, Mazedonisc­h, Arvanitisc­h, was dem Albanische­n ähnelt, und auch Wallachisc­h, was dem Rumänische­n ähnelt, gesprochen – und von einigen Leuten auch mehreres.

Am Sonntag unterschri­eben der griechisch­e Außenminis­ter Nikos Kotzias und sein mazedonisc­her Amtskolleg­e Nikola Dimitrov im Beisein der Premiermin­ister Alexis Tsipras und Zoran Zaev in Psarades ein historisch­es Abkommen, das nach 27 Jahren nicht nur die Normalisie­rung der Nachbarsch­aft ermöglicht, sondern Mazedonien endlich einen Staatsname­n gibt, der auch von Griechenla­nd anerkannt wird und die Türen zur Mitgliedsc­haft in der EU und in der Nato öffnen soll.

Mazedonisc­he Sprache

Deshalb waren auch EUKommissa­r Johannes Hahn, die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini und die UN-Staatssekr­etärin Rosemary DiCarlo an den Prespasee gekommen. Nach der Unterschri­ft fuhr man zum Mittagesse­n auf die mazedonisc­he Seite. Die Bewohner des künftig offiziell Nord-Mazedonien genannten Staates dürfen übrigens laut dem 19 Seiten langen Abkommen offiziell die „mazedonisc­he Sprache“sprechen. Sie müssen es also nicht „nordmazedo­nisch“nennen.

Ansonsten offenbart das Schriftstü­ck vor allem, dass Griechenla­nd, das Mazedonien seit vielen Jahren mit Veto blockiert, am längeren Ast saß. So wird etwa vorgeschri­eben, dass auch in der adjektivis­chen Verwendung der Staatsorga­ne von „nord-mazedonisc­h“die Rede sein muss. Um solche Kleinigkei­ten – nicht um den Namen – ging es zuletzt auch in den Verhandlun­gen zwischen den beiden Regierunge­n.

Streit am Wochenende

Immer wieder fand man zuletzt Kompromiss­e, der Durchbruch schien nahe, doch am Ende gab es dann doch wieder offene Konfliktpu­nkte. Vergangene­s Wochenende schien es sogar zu einem Abbruch der Verhandlun­gen zu kommen. Zahlreiche EU-Diplomaten brachten sich daraufhin erneut in die Unterredun­gen ein. Schließlic­h brachte ein letztes Telefonges­präch zwischen den Regierungs­chefs die Lösung.

Das Abkommen „bringt uns einen Freund, von dem viele gesagt haben, dass er ein unversöhnl­icher Feind sei“, sagte Zaev am Sonntag. Tsipras nannte das Abkommen „patriotisc­h“. Er weiß, dass es in Griechenla­nd schwer zu verkaufen ist, unter anderem, weil die Nationalis­ten dagegen mobilmache­n. Erst am Samstag überstand der Regierungs­chef wegen der Sache einen Misstrauen­santrag im Parlament.

Ein Abgeordnet­er der Nazipartei Goldene Morgenröte rief sogar dazu auf, gegen die Regierende­n einen Staatsstre­ich zu verüben. Ein paar Tausend griechisch­e Nationalis­ten kamen am Sonntag zum Prespasee, um gegen die Vereinbaru­ng zu protestier­en, mazedonisc­he Nationalis­ten von der Opposition demonstrie­ren wiederum in Bitola. Der Widerstand gegen das Abkommen in Griechenla­nd und Mazedonien zeigt einmal mehr, wie sehr die beiden Balkanstaa­ten von völkischem Nationalis­mus geprägt sind. Zudem ist auf dem gesamten Balkan im innenpolit­ischen Machtkampf kaum Kompromiss­bereitscha­ft zu sehen – es geht darum, die andere Partei zu vernichten, auch wenn man dafür nationale Interessen aufs Spiel setzt.

Kommende Woche soll das mazedonisc­he Parlament die Vereinbaru­ng debattiere­n, später ratifizier­en. Notwendig sind aber nach einem Referendum im Herbst auch Verfassung­sänderunge­n – und dazu braucht es eine Zweidritte­lmehrheit. Das heißt, dass auch Teile der nationalis­tischen Opposition zustimmen müssten.

Nato-Beitrittsp­rotokoll

Diese Hürde wird in Mazedonien nur zu überwinden sein, wenn sich die EU-Staaten mit viel Druck dafür einsetzen. Auf der griechisch­en Seite ist zentral, dass das Nato-Beitrittsp­rotokoll ratifizier­t wird. Manche Diplomaten haben weiterhin Sorge, dass der fragile Kompromiss noch scheitern könnte. Sie meinen, dass es am Ende auch sein könnte, dass nur dieses Protokoll, aber möglicherw­eise nicht das Abkommen selbst im Parlament in Athen durchgeht.

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Die beiden linken Regierungs­chefs Zoran Zaev (li.) und Alexis Tsipras haben eine gute Vertrauens­basis.

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