SPÖ-Chef Kern beklagt „Bruch der Spielregeln“
SPÖ-Chef Christian Kern will die Pläne der Regierung zur Arbeitszeitflexibilisierung mit allen Mitteln bekämpfen. Auch die Gewerkschaft bereitet sich auf einen intensiven Arbeitskampf vor.
Wir werden keinesfalls zur Tagesordnung übergehen“, sagt SPÖ-Chef Christian Kern im Gespräch mit dem Standard, „ wir werden den Betroffenen Gehör verschaffen, ganz eng die Zivilgesellschaft einbinden, und wir werden uns mit der Gewerkschaft abstimmen.“Außerdem habe man noch parlamentarische Mittel in petto, um dem Beschluss der neuen Arbeitszeitbestimmungen durch die Regierung etwas entgegenzusetzen. Noch will Kern keine Details über das Ausmaß der Gegenmaßnahmen bekanntgeben, die Koordinierung beginne mit Montag.
Auch der ÖGB berät bereits über die weitere Vorgangsweise und will noch diese Woche mit Informationsveranstaltungen in den Betrieben beginnen. Ziel sei es, massiv Aufklärung zu schaffen. Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks sind nicht ausgeschlossen. Der neue ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sieht durch das Vorgehen der Regierung die Sozialpartnerschaft infrage gestellt. In Zukunft könne jeder Arbeitgeber anordnen, dass fünfmal pro Woche jeweils zwölf Stunden lang gearbeitet werden müsse.
Was SPÖ-Chef Kern so aufregt, sind nicht nur die Maßnahmen im Detail, die er für arbeitnehmerfeindlich hält, sondern der bewusste Bruch der bisherigen Spielregeln der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit durch die Regierung. Dass hier einseitig über die Arbeitnehmer drübergefahren werde und die Regierung auf eine Begutachtung des Gesetzes verzichte, „geht gar nicht“. Das sei ein „Zeichen der politischen Schwä- che und der persönlichen Unreife“, sagt Kern.
Dem SPÖ-Chef sei durchaus klar, dass man über die Arbeitszeit reden müsse, er habe hier auch Vorschläge gemacht. Die einseitige Veränderung zugunsten der Unternehmer sei aber nicht hinnehmbar. Wenn man jetzt das bewährte System breche, dass man zumindest einmal miteinander rede, werde das zu einer „ganz problematischen Situation“füh- ren. Der soziale Frieden im Land werde auf Spiel gesetzt.
Inhaltlich stößt sich die SPÖ vor allem daran, dass ein genereller Zwölfstundentag eingeführt werde und dass es keine geregelte Wahlarbeitszeit mehr gebe. Bei der Gleitzeit gebe es keine Selbstbestimmung, die Durchrechnung sei beliebig. Besonders empört sind SPÖ und Gewerkschaft darüber, dass für den Zwölfstundentag und die 60-Stunden-Woche keine Frei- willigkeit im Gesetz festgeschrieben ist. Arbeitnehmer würden massiv unter Druck gesetzt.
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat am Wochenende verteidigt, dass Arbeitnehmer eine längere Arbeitszeit künftig nicht begründungslos ablehnen dürfen. Es sei „klar, dass das nicht aus Justamentstandpunkt“geschehen könne, sagte die Ministerin. Habe man aber Kinder abzuholen oder jemanden zu pflegen, „dann hat jeder Arbeitgeber sicher Verständnis dafür“. Die Kritik „Richtung Klassenkampf, Ausspielen Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer“sei „einfach nicht mehr adäquat“, meint Hartinger-Klein.
„Rote Lügenpropaganda“
FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz bezeichnete die Kritik von SPÖ und Gewerkschaft als „schäbig und unwürdig“. Der Regierungsantrag orientiere sich auch am Plan A der SPÖ, behauptet Rosenkranz. Der Gewerkschaft warf der FPÖ-Klubchef vor, „nurmehr als Vorfeldorganisation der immer schwächer werdenden SPÖ“zu agieren und „billige rote Lügenpropaganda“zu trommeln.
Die Industriellenvereinigung warf Arbeiterkammer und Gewerkschaft vor, es „mit der Wahrheit nicht ernst zu nehmen“. Es werde „vorgegaukelt, es würde generell ein Zwölfstundentag eingeführt und Überstunden nicht mehr bezahlt werden“, beklagte IVGeneralsekretär Christoph Neumayer. Dies sei „schlicht eine Lüge“. Die Arbeitnehmervertreter würden „eine künstliche Konfrontation“aufbauen und „mehr an Machtstrukturen als an ein gedeihliches Miteinander“denken, sagte Neumayer im Profil.