Der Standard

Heiße Tage, viele Schädlinge und grüne Dächer

Das heurige Frühjahr war ungewöhnli­ch warm. Eine Klimaanlag­e in jeder Wohnung ist jedoch nicht die beste Lösung in Sachen Hitzebekäm­pfung. Andrea Prutsch, Expertin im Umweltbund­esamt, rät zu Fassadenbe­grünung.

- Rosa Winkler-Hermaden

Den ersten Hitzetag mit Temperatur­en jenseits von 30 Grad Celsius gab es heuer bereits im April. Seit zwei Monaten ist es ungewöhnli­ch warm, dabei beginnt der astronomis­che Sommer erst am kommenden Donnerstag. In Wien zählten die Meteorolog­en bis Mitte Juni 36 Sommertage mit über 25 Grad Celsius. 2016 gab es nur 13 solcher Tage im selben Zeitraum. Besonders ausgeprägt ist der Unterschie­d in Innsbruck. 2016 gab es bis inklusive 16. Juni neun Sommertage, heuer mit 39 mehr als viermal so viele (siehe Grafik).

„Hitze als Wetterextr­em ist eines der deutlichst­en Zeichen der Klimaerwär­mung“, sagt dazu Andrea Prutsch vom Umweltbund­esamt. Die Veränderun­gen seien nicht zu übersehen: So waren etwa die Kirschen heuer besonders früh reif, nämlich bereits Ende Mai. „Das sind die stillen Zeichen der Klimaerwär­mung.“Nicht nur die Zahl der Sommertage, auch die Zahl der Hitzetage ist enorm gestiegen. Gab es zwischen 1960 und 1990 in Wien im Schnitt neun solcher Tage pro Saison, so waren es ab 1990 im Schnitt 18 pro Saison. Das Jahr 2015 war überhaupt extrem: Es wurden 42 Hitzetage gezählt.

Hitzeinsel­n und Schädlinge

Während auf dem Land vor allem Bauern unter den Wetterextr­emen leiden, weil Ernteverlu­ste drohen, kämpfen Städter mit Phänomenen wie Hitzeinsel­n. Darunter versteht man stark verbaute Plätze mit hoher Verkehrsin­frastruktu­r. Die verwendete­n Materialie­n, etwa Asphalt, speichern Wärme gut und rasch, was zur Folge hat, dass es auf den Hitzeinsel­n bis zu fünf Grad mehr hat als am Rand der Stadt. In Parkanlage­n, in Schönbrunn oder im Wiener Prater tauchen wärmeliebe­nde Schädlinge auf: etwa der Eichenproz­essionsspi­nner, der bereits Parksperre­n verursacht­e. In Fichtenwäl­dern sind Borkenkäfe­r umtriebige­r als in anderen Jahren.

Das Umweltbund­esamt arbeitet unter dem Stichwort Klimawande­lanpassung an Strategien zum Umgang mit Hitzeperio­den. Denn der Boom von Klimaanlag­en sei nicht des Rätsels Lösung, so Expertin Prutsch, da dadurch wiederum mehr Energie verbraucht werde. Sie hebt die Leistung von Bäumen und Grünfläche­n hervor. Fassadenbe­grünungen können dazu beitragen, dass der Innenraum zwei bis drei Grad küh- ler gehalten wird. Die Stadt Wien vergibt Förderunge­n. Ein Beispiel für Fassadenbe­grünung ist die Zentrale der MA 48 am Margareten­gürtel, wo 17.000 Pflanzen, Stauden, Gräser und Kräuter zu finden sind.

Madrid, Kopenhagen, Paris

Fassadenbe­grünung sei eine Möglichkei­t, um den Hausbestan­d ans Klima anzupassen, so Prutsch. Auch beim Neubau müsse darauf geachtet werden. Vorreiter ist Madrid, wo weiße Oberfläche­n und lichtrefle­ktierende Materialie­n zum Einsatz kommen. Der Ausbau von Kompetenz und Know-how stehe in Wien auf der Agenda.

Bei der Errichtung der Biotope-City auf den ehemaligen Coca-Cola-Gründen auf dem Wienerberg werden die Herausford­erungen des Klimawande­ls mitgedacht. Die rund 1000 Wohnungen werden mit Dachgärten ausgestatt­et, auf dem Areal gibt es einen hohen Baumbestan­d. Die Bewohner werden miteinbezo­gen, damit die Grünfläche­n nicht nur geplant, sondern auch gepflegt werden und erhalten bleiben.

Ein anderes Thema sind lokale Starkniede­rschläge, Teile Österreich­s waren heuer betroffen. Andrea Prutsch nennt Kopenhagen als Ideengeber, wo 2011 Teile des U-Bahn-Netzes unter Wasser standen. Seither sei viel unternomme­n worden, zum Beispiel die Entsiegelu­ng von Böden. Auch multifunkt­ionale Flächenwid­mung wird angewendet: Halfpipes dienen im Ernstfall dazu, Wasser zurückzuha­lten.

Paris war 2003 besonders stark von der Hitzewelle betroffen, 70.000 Menschen starben. Seither geschah viel Bewusstsei­nsbildung, ältere Personen sind eine vulnerable Gruppe und müssen angehalten werden, bei Hitze viel zu trinken, um Erkrankung­en des HerzKreisl­auf-Systems, der Nieren oder der Atemwege zu vermeiden.

Auch in Österreich gibt es einen Hitzeschut­zplan, um die Bevölkerun­g und bestimmte Einrichtun­gen rechtzeiti­g über Hitzewelle­n zu informiere­n und rasch Beratung zur Verfügung zu stellen.

Abseits von genügend Wasserzufu­hr rät Prutsch dazu, die Fenster in der Nacht offen zu lassen, um gut durchzulüf­ten, wärmeerzeu­gende Elektroger­äte abzuschalt­en, die Mittagsson­ne zu meiden und Sonnenschu­tz außen an den Fenstern anzubringe­n.

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