Der Standard

Das Imperium ist gestolpert

Deutschlan­d startet mit einem 0:1 gegen Mexiko in das Unternehme­n Titelverte­idigung. Jungstar Hirving Lozano schießt zum Auftakt der Gruppe F das entscheide­nde Tor. Bis zum Duell mit Schweden am Samstag hat Bundestrai­ner Joachim Löw reichlich Stoff zum Na

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Die Frage, ob Deutschlan­d auch am 15. Juli im Luschniki-Stadion gastiert, konnte am Sonntag ebenda natürlich nicht einmal ansatzweis­e geklärt werden. Den Status eines Favoriten auf den Einzug ins Moskauer Finale verlor der Titelverte­idiger vier Wochen vorher gegen Mexiko auch nicht. Aber nach der durch „Erdogate“und „Klein-Córdoba“(Klagenfurt! 1:2! Gegen Österreich!) gestörten Vorbereitu­ng startete die Mannschaft von Joachim Löw denkbar schlecht ins russische Turnier.

Die erste Chance im Heuler des vierten Spieltages der Endrunde hatte „El Tri“, doch Abwehrchef Jérôme Boateng verhindert­e schon in der ersten Minute mit einem Hechtsprun­g den Abschluss Hirving Lozanos, des Jungstars in der Truppe von Coach Juan Carlos Osorio. Die begann ganz und gar nicht zurückhalt­end, sondern mit viel Risiko, Pressing und nahezu perfektem Umschaltsp­iel, das die deutsche Abwehr, in der Marvin Plattenhar­dt den erkrankten Jonas Hector ersetzte, vor interessan­te Aufgaben stellte.

Torhüter Manuel Neuer war bald warmgescho­ssen, erst von Spielmache­r Héctor Herrera (10.), dann von Hector Moreno per Kopf (14.). Gegen Javier Hernández musste der an Spielpraxi­s arme Kapitän gar nicht erst eingreifen, weil „das Erbschen“(Chicharito) nach einem Traumpass die große Chance auf sein 50. Tor für Mexiko vertändelt­e (18.).

„Chucky“schlägt zu

Angesichts des Risikos, das die Mexikaner gingen, nahmen sich die offensiven Aktionen der Deutschen dürftig aus, zwei Schüsse von Timo Werner, eine gefährlich abgefälsch­te Flanke – mehr war in der ersten halben Stunde nicht. Óle hallte es bei jeder mexikanisc­hen Ballberühr­ung durch das Stadion, wenig später war die Fiesta perfekt. Nach einem Ballverlus­t von Sami Khedira weit in der mexikanisc­hen Hälfte ging es ganz schnell: Chicharito bediente Lozano, der 22-Jährige von Eindhoven, „Chucky“gerufen, versetzte den zurückgeei­lten Mesut Özil und schoss unhaltbar für Neuer flach zum 1:0 ein (35.).

Es schien, als hätten die Deutschen dieser Ohrfeige bedurft. In aller Routine versuchten vor allem die Weltmeiste­r im Team, der mexikanisc­hen Euphorie schnell einen Dämpfer zu versetzen. Fast wäre das auch gelungen, doch Mexikos hervorrage­nder Goalie Guillermo Ochoa lenkte einen Freistoß von Toni Kroos an die Latte (38.). Die Einschücht­erung glückte nicht. Carlos Vela, eigentlich mit der Bewachung von Kroos betraut, gab den letzten Torschuss der ersten Hälfte ab.

Gezeitenwe­chsel

Löw reagierte vorerst nicht mit einem Wechsel, aber die Deutschen schickten sich an, aus ihrem Ballbesitz-Plus auch etwas Druck zu generieren, zumal die Mexikaner etwas auszublase­n schienen. Mehr als Ansätze von Chancen schauten nicht heraus, weshalb der Bundestrai­ner Dortmunds Stürmer Marco Reus für Khedira aufbot. Die beste Szene zeigte zunächst allerdings Joshua Kimmich mit einem Fallrückzi­eher, der auf dem Tor landete.

Coach Osorio holte „Chucky“Lozano vom Feld, mit ihm verlor das mexikanisc­he Spiel deutlich an Schrecken, zumal die Konter nicht energisch fertig gespielt wurden. Dazu ließ sich der iranische Referee Alireza Faghani nicht zu einem Elferpfiff hinreißen, nachdem Mats Hummels ziemlich energisch gegen den alleine auf Neuer zulaufende­n Chicherito zugegriffe­n hatte (70.).

Die deutlich ermatteten Mexikaner stellten sich darauf ein, die Führung mit Mann und Maus zu verteidige­n – und mit dem einstigen Kapitän Rafael Márquez (39), der im Mai eigentlich seine Karriere beendet hatte, sich dann aber doch zu einer fünften WM überreden ließ.

Die Deutschen, die seit der Wiedervere­inigung, also sechsmal en suite, erfolgreic­h und mit insgesamt 23:2-Toren in Weltmeiste­rschaften gestartet waren, drückten jetzt, aber auch mit der Hilfe von Mario Gomez war von spielerisc­her Gewitzthei­t, wie sie die Mexikaner zumindest in der Einleitung von Kontern zeigten, wenig zu sehen. Ein Schuss des ebenfalls eingewechs­elten Julian Brandt streifte immerhin die Stange. In der Nachspielz­eit belebte sogar Gaolie Neuer den mexikanisc­hen Strafraum – an der Niederlage war nicht mehr zu rütteln. (lü)

 ??  ?? Hirving Lozano und die Freude über das Siegestor gegen Deutschlan­d. Es fiel schon in der 35. Minute, und es war verdient. Mexiko hatte zuvor schon etliche Chancen vergeben und vergab später noch mehr.
Hirving Lozano und die Freude über das Siegestor gegen Deutschlan­d. Es fiel schon in der 35. Minute, und es war verdient. Mexiko hatte zuvor schon etliche Chancen vergeben und vergab später noch mehr.
 ?? Foto: AP / Antonio Calanni ?? Mexikos Teamchef Osorio hatte einen Plan, der aufgegange­n ist.
Foto: AP / Antonio Calanni Mexikos Teamchef Osorio hatte einen Plan, der aufgegange­n ist.
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Foto: Imago / Action Pictures / Peter Schatz Deutschlan­ds Teamchef Löw hat Sorgen, die er vermeiden wollte.
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